Der Polygraph
14.12.2008
Es gibt auf einem Fernsehsender eine Sendung, in der sich Menschen hinsetzen und für erschreckend niedrige Summen ihr inneres (scheinbar) preisgeben. Dort werden persönliche Fragen gestellt und ein “Lügendetektor” entscheidet, ob das die Wahrheit ist oder nicht. Hin und wieder sieht man, wie der Betroffene selbst überrascht ist von der Auskunft, was er denn “wirklich” denkt und dann sogar die neue Erkenntnis über sich selbst akzeptiert.
Demnächst, so habe ich eben gelesen, wird es auf einem weiteren Fernsehsender eine Show dieser Art geben, seit eh und jeh wird man in “Talkshows” ohnehin damit konfrontiert, dass bei streitigen Fragen so genannten “Lügendetektoren” dann eine angebliche endgültige Gewissheit bringen.
Ebenfalls verbreitet sind kleine Tools, die man z.B. mit Skype oder auf seinem Handy einsetzt und die einem anzeigen, ob der Gesprächspartner lügt, hier wird alleine die Veränderung der Stimme als Kriterium genutzt.
Ich habe heute keine Zeit, um jetzt eine Polemik zu dem Thema zu schreiben. Stattdessen verweise ich hier einfach auf den ganz gelungenen Abschnitt “Kritik an Lügendetektoren” bei der Wikipedia. In der tat sehe ich nicht die grösste Gefahr darin, dass wir längst den Rubikon überschritten haben, dass es Alltag ist, dass sich Menschen für kleines Geld im Fernsehen entwürdigen lassen. Die Diskussion muss man wenn, dann vorher führen. Aber seit “Big Brother” scheint ja jede gesellschaftliche Diskussion auf dem Gebiet eingeschlafen zu sein.
Nein, viel grösser ist eine andere Gefahr, die gerade beim “normalen Bürger” schon zu beobachten ist: Solche Shows führen dazu, dass kritiklos der Polygraph als absolute Erkenntnisquelle anerkannt wird. Es wird vergessen, dass die Ausgaben (zumindest bei seriösen Auswertungen) von einem Menschen erstellt werden. Und bei rein maschinellen Auswertungen wird vergessen, dass wir eben keine monokausalen Maschinen sind. Niemand würde bei jemandem, der im Sommer bei einem Gespräch schwitzt, wegen des Schwitzens auf eine Lüge tippen – wenn aber ein Addon für ein Telefon bei einem evt. kranken oder gestresssten Gesprächspartner eine “Lüge” erkennt, so ist dies plötzlich keine Frage mehr.
Polygraphen bekommen zur Zeit, sehr unterschwellig, eine Akzeptanz, die sie nicht verdient haben. Geradezu schleichend werden sie Alltags-Gegenstand, vor allem in den Köpfen der breiten Masse. Dem gilt es vorzubeugen. Wenn es nicht shcon zu spät ist.