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Jörg Tauss: Subtile Hetze

06.03.2009

Nachdem gestern bekannt wurde, dass die Büros des Abgeordneten Jörg Tauss wegen des “Verdachts auf Kinderpornographie” durchsucht wurden, ist eine zunehmende mediale Hetze zu beobachten, die äusserst subtil arbeitet.

Exemplarisch zitiere ich aus der Aachener Zeitung, Seite 2:

Zuletzt war Tauss durch Äusserungen zu Kinderpornographie aufgefallen. Scharf hatte er die Pläne von Familienministerin Ursula von der Leyen (CDU) zur Sperrung des Zugangs von Kinderporno-Seiten im Netz kritisiert und vor “Zensurverhältnissen ähnlich wie in China” gewarnt. Äußerungen über die sich so mancher Abgeordnete gewundert hatte.

Drei Sätze, drei fehlerhafte Informationen. Ich analysiere kurz:

  1. Tauss war nicht durch Äußerungen zu KiPo aufgefallen, sondern er hat sich zum Thema Netzsperren geäußert. Er hat sich nicht gegen “die Sperrung von KiPo” eingesetzt, sondern gegen Netzsperren im Allgemeinen, die nicht funktionieren. Er war dabei einer von vielen Abgeordneten & Kritikern und ist dadurch – jedenfalls denen die das Thema seit langem begleiten – auch nicht besonders aufgefallen. Anders als der Artikel suggeriert, der andeutet, Tauss wäre der Meinung, KiPo sollte frei zugänglich sein, was mit der Realität nichts zu tun hat.
  2. Er hat die Pläne von von der Leyen kritisiert, so wie viele andere. Der Vergleich mit China ist dabei nicht seine Erfindung, sondern eine Aussage des wissenschaftlichen Dienstes des Bundestages, also keine Einzelaktion. Insbesondere vor dem Hintergrund weiterer Gutachten mit ähnlichen Statements.
  3. Verwundert hat das nicht “so manchen Abgeordneten” sondern vor allem Fr. von der Leyen. Zur Erinnerung: Das ist die Ministerien, deren Arbeitsgruppe zum Thema kürzlich aufgelöst wurde, weil die zahlreichen Kritiker in der Sache nunmal Recht haben.

Netzpolitik geht ebenfalls kurz auf das Thema ein (ebenfalls FeFe und RA Stadler), dazu von mir eine Warnung: Gerade weil Tauss ein Profi ist, wird er bei einem solchen Verdacht der in der breiten Öffentlichkeit steht, jetzt keine vorschnellen Aussagen treffen. Auch die Blogosphäre sollte vorsichtig sein und sich nicht zu schnellen Analysen und Statements hinreißen lassen: Wir wissen nun mal nichts.

Es ist schlimm genug, dass die Presse schon anfängt, primitive Konstruktionen in subtiler Art & Weise in den Raum zu stellen. Man merkt das Muster, das jeden Netzsperren-Gegner treffen später kann: “Wer dagegen ist, muss ja auch was damit zu tun haben” – ein Muster, gegen das ich mich seit Jahren einsetze. Nochmals zur Betonung: Nicht der, der sich für Bürgerrechte einsetzt muss sich erklären, sondern der, der sie einschränken möchte.

Auch ich habe hier keine Aussage getroffen, sondern lediglich diesen mehr als simplen Absatz der Aachener Zeitung zerlegt. In der Sache selbst werde ich abwarten, bis von Tauss und den Behörden jeweils offizielle und brauchbare Statements vorliegen.

Update: Nur zur Info der Hinweis auf die Meldungen bei SPON und der SZ mit der Meldung, dass Tauss seine ämter (nicht sein Mandat) aufgibt. Weiterhin der Hinweis auf juristische Details beim lawblog, die man kennen sollte.

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11 Kommentare zu diesem Beitrag:

Schreiberling

Ich frage mich, wann die Welt endlich kapiert, dass es "die Presse" und "die Medien" genauso wenig gibt wie "die Politiker", "die Ausländer" und "die Manager". Da liegt schon, unabhängig von dem Thema, um das es geht, das Übel begraben.

Ah ja. Du sprichst aber wohl von "die Welt", die etwas kapieren muss. Naja.

Uwe Fessler

In Deutschland sind wir inzwischen dort angelangt, dass bereits die Mittäterschaft vermutet wird, stellt man sich nicht klar auf die bereits öffentlich verbreitete Meinung ein. Ich hatte einem Kindertheater eine Geldspende gegeben, bereits am anderen Tag wurde aus den Reihen meiner Gegner (hochgekorierte alte Säcke) die Geschichte des pedofilen publiziert. Schöne Aussichten.

classless

Der Presseschauer bringt den Fall des Abgeordneten, der zu Kinderpornographie eigene Recherche betrieb, mit meinem Vortrag zum Snafu-Prinzip zusammen:

http://www.classless.org/2009/03/16/jorg-tauss-snafu-und-warnhinweise/

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