BKA-Gesetz auf der Kippe? Der Journalismus auf jeden Fall.
18.11.2008
Noch vor ein paar Tagen war es bei mir Utopie – nun scheint es doch Realität zu werden: Der Bundesrat droht das BKA-Gesetz zu kippen.
Und was macht die Presse? Sie hetzt gegen die SPD. Das Verfassungsverständnis der Presse hat offenbar den Nullpunkt erreicht.
Was geht nur in euch vor? In dem Kommentar bei der Tagesschau muss ich z.B. lesen:
Sie kann sogar die Verfassung ändern. Bis auf die ersten 20 Artikel natürlich.
Glaubt der Kommentator den Blödsinn wirklich? Warum wurde denn, wenn das stimmt, der Artikel 13 GG bereits geändert? Selbst wenn man nichts von der Verfassung versteht und den Artikel 79 GG offenbar falsch liest, muss doch die bereits stattgefundene Geschichte (deren Kenntnis ich bei Journalisten voraussetze) zeigen dass man Unsinn schreibt.
Danach liest man, und das ist der endgültige Nullpunkt für den ich keinerlei Verständnis mehr aufbringe:
Wem gebührt der Dank dafür? Der SPD! Zwar ist sie im Bundestag dafür gewesen […] In den Ländern aber regt sich Widerstand […]
Ja, ganz genau: Im Bundestag waren die Abgeordneten der SPD dafür. In der Länderkammer aber sind einige Länder (in denen die SPD (mit)regiert) dagegen. Man beachte: Abgeordnete einerseits, Länder andererseits. Deswegen ist der Bundesrat ja auch eine Länderkammer. Und auch wenn unsere Politiker in den letzten 50 Jahren das zunehmend vergessen hatten: Im Bundesrat sollen eigentlich Länderinteressen im Vordergrund stehen. Nichts anderes.
Ausgerechnet jetzt, wenn (zumindest oberflächlich betrachtet) in der Länderkammer endlich nochmal im Länderinteresse gehandelt wird – und nicht im Parteiinteresse, da rumzuätzen, ist unfassbar. Machen wir es mal anders: Würden die SPD-Länder nun dafür stimmen, würden wir rumätzen weil die nicht an unsere/die Länderinteressen denken. Wenn sie es doch tun, ätzen wir rum, weil sie die SPD blamieren.
Man kann, das tue ich hier auch, der SPD viele Vorwürfe machen. Aber ausgerechnet jetzt, wenn es darum geht, ein ablehnungswürdiges Gesetz zu verhindern, wenn man endlich nochmal den Bundesrat so nutzt wie man es zu tun hat, sollte man dankbar sein und nicht mehr nach dem Motto verfahren “gleich was sie tun, es ist falsch”. Dies nicht nur als Bürger, sondern gerade auch als Journalist oder Jurist, die sich (zu Recht!) als besonders betroffen bezeichnet haben und daher auch besondere Kritik geübt haben.
Sprüche wie
Dieser Vorgang birgt einige Kollateralschäden […] Weil natürlich jeder fragt: Was ist bloß los in dem Laden? Bei der SPD reißt die linke Hand das ein, was die rechte gerade aufgebaut hat.
Offenbaren Abgründe bei unseren Journalisten. Jedenfalls ich, in meiner jungen Naivität, glaube noch an Demokratie. Und wenn nun Parteien nicht als Einheitspartei fungieren, sondern in Teilen eigenständige Entscheidungen treffen, dann kritisiere ich das gerade nicht – ganz besonders als Gegner der so genannten “Geschlossenheit” und “Fraktionsdisziplin”, den grössten Feinden unserer Demokratie, die paradoxerweise ausgerechnet unser Parlamentarisches System (im Kampf gegen den Terrorismus!) so hochhält.
Man muss sich schon entscheiden, was man will. Aber gegen “Fraktionsdisziplin” sein, um dann gegen die dann entstehenden anderen Meinungen zu wettern ist schwachsinn. Insbesondere, wenn man dabei die Verfassung, insbesondere die Rolle des Bundesrates, aufs übelste verkennt.