Datenschutz-Definition: Was sind Daten?
02.01.2013
Zu Beginn unserer IITR-Tätigkeit hatten wir hier darauf hingewiesen, dass es dem Datenschutz an einer allgemein akzeptierten Definition des Daten-Begriffs mangelt. Niemand kann sagen, was genau man unter Daten zu verstehen habe. Ähnliches gilt für den Begriff der Information.
Der Mensch behilft sich in solchen Fällen durch unscharfe Umschreibungen. Wenn es konkreter werden muss, greift man häufig auf Analogien zurück. In einigen Bereichen ist dies nicht ausreichend. Beispielsweise in den Naturwissenschaften, aber auch im Strafrecht oder Haftungsrecht ist man auf möglichst konkrete Begriffsinhalte angewiesen.
Wir befassen uns seit Jahren mit der Suche nach einer Definition für Daten, haben dazu viele Gespräche geführt, Recherchen unternommen, uns auch ermuntern lassen, die Begriffe für Daten und Information zu präzisieren, ihnen eine Definition zu unterlegen.
Der Mensch tut sich gelegentlich schwer, einer Sache auf den Grund zu gehen. Bereits der Versuch der Darlegung dieser Gründe kann zu einer weiteren Ursache werden dafür, dass einer einfach erscheinenden Aufgabenstellung wie jener, die Bedeutung eines Begriffes zu fixieren, offenbar nicht ohne weiteres nachgekommen werden kann. Wenn wir also heute eine Definition vorschlagen ist dem der Versuch vorangegangen, diese Schwierigkeit durchschauen zu wollen. Was also hindert den Menschen daran, Begriffen auf den Grund gehen zu können?
Ist es nur Pragmatismus, weil es offenbar ganz gut auch ohne sprachliche oder gedankliche Präzision geht? Mag sein. Wir sind jedoch überzeugt davon, dass andere Ursachen eine wesentlichere Rolle spielen.
Was also könnte konkret gemeint sein, wenn wir von Datenschutz sprechen, also dem Schutz des vom Bundesverfassungsgericht entwickelten informationellen Selbstbestimmungsrechts anhand personenbezogener Daten, um dem Bereich jene Bedeutung verleihen zu können, die wir ihm so gerne zuweisen würden?
Bei seiner tagtäglich vorgenommenen Einschätzung von Vorgängen und seiner eigenen Positionierungen wird der Mensch überwiegend wertend tätig. Er nimmt Wertungen vor.
Davon getrennt betrachtet werden muss eine weitere, dem Menschen zur Verfügung stehende Möglichkeit, seine Umwelt zu beurteilen. Er kann sie nach Gesetzmäßigkeiten untersuchen, Naturgesetze identifizieren und damit seine Erkenntnisse wissenschaftlich begründen. Er kann der Bewertung die Beurteilung durch gesichertes Wissen hinzufügen
Der Mensch kann sich also wertend und/oder naturwissenschaftlich gestützt positionieren. Der Mensch hat es demnach mit zwei Sphären zu tun, in denen er agiert, zu denen er Zugang hat: jene der Naturgesetze sowie jene der Wertung.
Diese beiden Sphären fließen im Alltag ineinander. Aber dies bedeutet keineswegs, dass man diese beiden Sphären nicht auseinander halten könnte. Oft ist uns nicht bewusst, dass wir auf zwei streng getrennt voneinander zu betrachtenden Sphären des Wissens und des Wertens zurückgreifen. Vieles was wir von uns geben halten wir für gesichertes Wissen, was mithin naturwissenschaftlich begründbar sein müsste. Tatsächlich stellt das allermeiste unserer Äußerungen unsere Meinung dar, der eine subjektive Wertung unterliegt.
In dem Maße, wie die Menschheit an Wissen, an naturwissenschaftlicher Kenntnis gewinnt, ändern sich Begriffsinhalte. Was vor Jahrzehnten noch im Nebel der Ahnung und damit der Wertung stand, ist heute erklärbar, errechnet und oft auch entzaubert. Das verstärkt die akute Illusion, wir hätten es heute nur noch mit einer Ebene, einer Sphäre zu tun, wir alle würden uns mittlerweile ausschließlich auf der Ebene des Wissens befinden.
So könnte man erklären, dass die Verwendung von Begriffen, die einer Sphäre zugehörig sein sollten, bei Verwendung in der anderen Sphäre unscharf wird.
Daten, so schlagen wir vor, gehören in die Sphäre der Naturwissenschaft. Unser Definitionsangebot:
“Daten sind Träger dessen, was durch naturgesetzliche Struktur beschreibbar ist.”
Einige Beispiele. Die Beschreibung der Ladung eines Neutrons: Datum. Der Spin eines Elektrons: Datum. Strings zur Erklärung der Eigenschaften von Materie: Datum. Aufbau Positron, Neutron, Konstruktion eines Atoms, eines Moleküls: alles naturwissenschaftlich beschreibbares Datum. Eigenschaften, wie Farbgebung, Gewicht: alles naturwissenschaftlich ausdrückbar und damit Datum. Vom Mikrokosmos ausgehend in den Makrokosmos gleitend: alles naturwissenschaftlich fassbar, hinterlegbar, als Naturgesetz also beweisbar: allesamt Daten.
Daraus folgen die Vorgänge, in denen Daten verarbeitet werden: ebenfalls naturwissenschaftlichen Strukturen folgend, naturwissenschaftlich beschreibbar.
Alles was nicht in naturgesetzlich beschreibbarer Struktur vorhanden ist, wäre demnach nicht Datum. Ein kleiner Auszug daraus: Liebe. Ehre. Wert. Gott. Übersinnliche Kräfte.
Demnach wird das Universum zusammengehalten durch Strukturen, denen Gesetzmäßigkeiten unterliegen, denen wir Menschen nachzuspüren versuchen. Diese Gesetzmäßigkeiten beschreiben Wirkungen. Die Beschreibungen dessen, auf was sich diese Gesetzmäßigkeiten beziehen liegen als Daten vor.
Das um uns herum befindliche Universum kommt völlig ohne den Menschen aus. Sofern man sich darauf verständigen mag, dass es das Universum auch ohne den Menschen geben dürfte, das Universum also nicht lediglich eine besonders raffinierte Illusion menschlichen Geistes darstellt.
Der Mensch fügt demnach – so oder auch so – dem streng naturwissenschaftlich organisierten Universum eine Erweiterung hinzu: sein um Erkenntnis ringendes Bewusstsein. Er erweitert das Universum um seine Fähigkeit, wertend tätig zu werden.
Nichts im Universum selbst verläuft, soweit wir bis heute erkennen können, wertend ab. Alles was wir bisher haben in Erfahrung bringen können, unterliegt naturwissenschaftlich beschreibbaren Vorgängen und folgt damit Naturgesetzen.
Die große Ausnahme davon bildet der Mensch, der wertend tätig ist.
Immer dann, wenn der Mensch sich mit was auch immer befasst, kommt Wertung ins Spiel. Unweigerlich. Der Mensch begutachtet, er hält für wahrscheinlich oder wünschenswert, für erstrebenswert, eben all das, was den wertenden Vorgang ausmacht und was dem Gang des Universums ansonsten vollständig fremd ist.
Auf diese Weise gewinnt der Mensch, wenn er beispielsweise Daten begutachtet, eine eigene Vorstellung. Von einem Vorgang. Von einer Sache. Von einer anderen Person. Von was auch immer.
Er macht sich ein Bild.
Der Mensch informiert sich. Er generiert Information.
Information ist also gebunden an das notwendige Vorhandensein des wertenden Menschen.
Dies gilt demnach auch dann, wenn sich seine Wertung auf Daten stützt.
Während Daten an das Vorhandensein einer naturgesetzlich beschreibbaren Struktur gebunden sind und das gesamte Treiben des Universums umschreiben, ist Information an das Vorhandensein des wertenden Menschen gebunden.
“Information: Datum, plus menschliche Wertung.”
Wenn wir Datenschutz betreiben, sollten wir naturwissenschaftlich beschreibbare Vorgänge in den Vordergrund stellen.
Sollten wir hingegen Schutzvorstellungen anstreben dazu, welche Arten von Information über Menschen in Umlauf gelangen dürfen, dann befinden wir uns in einem völlig anders zu strukturierenden Bereich des Informationsschutzes.
Um die Qualität einer Information bestimmen zu können ist die Intervention auf naturwissenschaftlicher Ebene, also auf der Ebene physikalischer Datenträger und der dort stattfindenden Datenverarbeitung eine unzureichende Möglichkeit.
Es kann hier nicht darum gehen, den Begriff „Datenschutz“ durch „Informationsschutz“ ersetzen zu wollen. Vielmehr soll es sich um den Versuch der Entzerrung eines Bedeutungsnebels handeln, aus dem sich der Begriff des Datenschutzes herauslösen ließe, um ihn konkretisieren zu können. Daten lassen dabei eine eigene Körperlichkeit erkennen. Der davon abgetrennte Informations-Begriff gewinnt dadurch ebenfalls an Kontur, was dem Ansinnen, Schutzvorstellungen formulieren zu wollen dienlich sein könnte.
Wir hoffen, der Diskussion um die Begriffs-Definition von Daten hiermit einige Anregungen hinzufügen zu können.
Autoren:
Dr. Sebastian Kraska
Eckehard KraskaBeitrag veröffentlicht am 2. Januar 2013.
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Peter
Aber impliziert die Beschreibung der 'naturgesetzlichen Struktur' nicht auch schon (womöglich unbeswusste) Wertung? Kann man Daten und Informationen also überhaupt in der vorgeschlagenen Weise voneinander trennen?
EKraska
Naturgesetzliche Struktur meint eine ausschließlich durch Naturgesetze bestimmte Struktur.
Diese liegt auch vor, wenn es einen betrachtenden Menschen nicht gibt, es generell den Menschen nicht gäbe. Die Naturgesetze sind nicht von der Existenz des Menschen abhängig, sie herrschen auch dann, wenn es diesen nicht gibt, nicht gäbe. Das Universum ist mit seinen Gesetzen nicht an die Existenz des Menschen gebunden.
Hoffe, ich konnte weiterhelfen. Danke für die Nachfrage.
EKraska
Christian Laux
In einem öffentlich publizierten Gutachten ("Haftung einer Behörde Haftung der Stadt Zürich für Open Government Data) gehe ich von den folgenden Begrifflichkeiten aus (siehe http://bit.ly/14W05tY):
Information: Ist, was im sozialen Gefüge eine Bedeutung hat. Information ist das "it" vom Bit. Die Aussage "XY glaubt an Gott" ist Information, weil diese Aussage eine Bedeutung hat.
"Daten": Daten sind Informationen, die in einer Form gespeichert ist, die sich für die Verarbeitung durch eine Maschine eignet.
Eine schöne Aussage dazu, wie sich Information zum Urheberrecht verhält, äussert der Schweizer Anwalt Peter Heinrich, siehe dazu meinen Aufsatz "Der Wechsel der Offline-Kultur in die Online-Welt" (http://bit.ly/177YvAA):
"Information ist neben Materie und
Energie eine der Grundkategorien der Welt. Der Überschuss der Statue über den Marmorblock hinaus ist nicht
mehr und nicht weniger als Information. Information ist
tatsächlich das Einzige, was der Mensch aus sich heraus
erschaffen kann."
Sie weisen ebenfalls zu recht darauf hin, dass Information ist, was der Mensch erschafft ("Der Mensch generiert Information.").
Der Informationsbegriff kann rechtlich relevant sein. Der Datenbegriff ebenfalls. Die Gesetzgebung, jedenfalls jene in der Schweiz, ist uneinheitlich, woran angeknüpft wird. Die Tragweite hat sich in meiner anwaltlichen Praxis bis heute kaum je gezeigt.
Von grösserer Bedeutung wird heute die Frage, wie man Information und/oder Daten rechtlich beherrscht. Ich erlaube mir den Verweis auf meinen kürzlichen Vortrag am IT Lawcamp: http://bit.ly/15My0EX
Christian Laux
EKraska
Vielen Dank für Ihre interessanten Ausführungen. An dieser Stelle möchte ich zunächst nur einen Gedanken herausgreifen:
Sie zitierend: “Daten”: Daten sind Informationen, die in einer Form gespeichert ist, die sich für die Verarbeitung durch eine Maschine eignet. Zitatende.
Vergleichen Sie nun dies bitte mit unserem Vorschlag:
“Daten sind Träger dessen, was durch naturgesetzliche Struktur beschreibbar ist.”
Man kann vielleicht erkennen, daß es hier einen vergleichbaren Ansatz gibt. Denn es eignet sich nichts besser zur Maschinen-Verarbeitbarkeit als das, was in naturgesetzlicher Weise kodifiziert ist.
Der Mensch kann dann auch Informationen, also jene Sphäre, in der Intuition, Wertung hinzukommt und die neben der rein naturwissenschaftlich beschreibbaren Welt existiert, und nur dem Menschen zugänglich ist, dann diese Informationen in die Ebene naturgesetzlicher Struktur übertragen, neuerdings auch zum Zwecke der Maschinen-Verarbeitbarkeit. Selbst wenn es sich nur um eine Speicherung von Information handelt, ist diese dann in allerdings ausschließlich naturgesetzlich beschreibbarer Form möglich. Das gilt für die Tontafel mit Keilschrift ebenso wie für die IT-Datenverarbeitung. Informationen, in Datenträger konvertiert. Konvertierung und Speicherung sind naturwissenschaftlich beschreibbar.
Was mir bei Ihrem Vorschlag also zu kurz zu kommen scheint wäre der Aspekt, daß auch ein Bild auf seiner Speicherebene Daten enthält, und natürlich zusätzlich als Bild auch Informationen transportiert. Genau gesagt besteht das Bild, wie alles materielle, demnach naturgesetzlich Beschreibbare um uns herum aus schieren Daten, sofern sie unserem IITR-Ansatz folgen. Bildbeschaffenheit, Rahmenaufbau. Leinenstruktur, Pinselführung, Farbenspektrum, Farbenzusammensetzung, you name it: alles dies ließe sich bis auf die Atomebene – und noch darunter hinaus, sofern es naturgesetzlich faßbar ist - in naturgesetzlicher Weise beschreiben.
Dwe Bildinhalt selber jedoch, eine gar darin enthaltene Information als Datenträger heranzuziehen in maschinenverarbeitender Absicht: das wäre schwierig.
Das könnte zu Interpretationen führen. Das wäre die Spähre von Intuition, und Wertung.
Das kann eine Maschine nicht leisten. (Nebenbei: das ist das übersehene Problem mit der künstlichen Intelligenz)
Wir vom IITR trennen zwischen der rein naturgesetzlich angelegten Sphäre, den wir als Daten-Bereich zu bezeichnen vorschlagen, sowie den durch den Menschen hinzugetretenen, also den wertenden Bereich, der auf das Wirken der menschlichen Intuition beruht, und den wir als den Bereich der Information bezeichnen würden.
EK
Christian Laux
Lieber Herr Kraska, besten Dank ich habe einen Einwand, eine Frage und einen vermittelnden Ansatz:
Der Einwand: Sie führen zum Bild aus, es bestehe aus "Daten" ("daß auch ein Bild auf seiner Speicherebene Daten enthält"). Ist das nicht eine petitio principii?
Die Frage: Was treibt Sie an, den Begriff der "Daten" von jenem der "Information" zu trennen? Aus der Warte des CH-Juristen interessiert die Frage eigentlich nur insofern, als einzelne Gesetze an "Daten" anknüpfen, andere an "Information", weitere z.B. an "Auskunftspflicht", etc.
Vermittelnder Vorschlag: Ich war wohl etwas kurz, als ich Daten mit "maschinenlesbar" definiert habe. Wären Sie damit einverstanden:
- Wenn wir von Information sprechen, meinen wir die Inhaltsebene.
- Wenn wir von Daten sprechen, interessiert uns das Format. (Dass das BDSG den von Daten spricht, wäre dann etwas unpräzis, liesse sich historisch aber erklären.)
Christian Laux
E Kraska
petito principii? glaube ich nicht. Die Daten eines Bildes sind etwas völlig anderes als der Eindruck, den ein Bild auf den Menschen macht. Genau dazwischen verläuft die Grenze zwischen Daten, und Information.
Während Daten einen exakten rein naturwissenschaftlich gebundenen Charakter haben, sind Informationen - beispielsweise eines Bildes - individuell wirksam. Jeder kann und wird aus einem Bild etwas anderes herauslesen. Information, die individuell gewonnen werden sind nicht identisch (durch menschliche Wertung), wie es jedoch von einer naturwissenschaftlichen Beschreibung gefordert werden muß.
Ihre weiteren Ausführungen: Auskunftspflicht wendet sich an den Menschen und richtigerweise ist dabei von Information die Rede. Informationspflicht beinhaltet Wertung. Sie kann keine naturgesetzliche Gewißheit beanspruchen.
Hingegen fällt es offenbar schwer, eine verallgemeinendere Umschreibung zu vermeiden, wenn von Daten die Rede ist.
Ein Mangel, wenn Sie es mit Rechtszügen zu tun haben, die exakt sein müssen, wie beispielsweise Strafrecht, oder Haftungsrecht.
Deswegen sollte man trennen zwischen dem Daten-Begriff, und Information. Das ist der Grund unserer Befassung oder, wie Sie schreiben, was (mich) uns antreibt.
EK