Die SPD stürzt ab. Der Datenschutz auch.
25.07.2008
Nach langer Zeit komme ich endlich nochmal dazu, einen meiner Freitags-Kommentare zu schreiben. An dem Tag, an dem die SPD erstmals weniger Mitglieder hat als die CDU, was geradezu zur Polemik einlädt. Aber ich hatte ja auch schon angekündigt, mich nochmal mit der SPD und ihren Abgeordneten auseinander zu setzen, speziell am Beispiel des Abgeordneten Rix.
Übrigens bin ich von den Lesern hier sehr enttäuscht: Von allen Artikeln die ich so schreibe, sind es vor allem meine Freitags-Kommentare die die Leser zu interessieren scheinen. Sie haben besonders hohe Zugriffszahlen und wenn längere Zeit keiner erscheint, werde ich darauf angesprochen. Fürchterlich, das Boulevard siegt also letztlich doch…
Nach meinem letzten kurzen Artikel zur SPD hat sich was getan: Die Zugriffe mit Referern von SPD-nahen-Seiten sind nach oben geschnellt. Beeindruckend, ein wenig scheint man also doch Interesse daran zu haben, was andere denken. Links von CDU-Foren habe ich jedenfalls noch nicht bemerkt, insofern also doch ein Unterschied – wie ich das werten soll weiß ich aber noch nicht.
Viele fragen sich seitdem: Wer ist Sönke Rix? Und warum habe ich ausgerechnet den erwähnt? Nun, vor allem ist es Zufall – er ist einer von vielen, denen ich hin und wieder mal auf Abgeordnetenwatch.de schreibe, dabei war er zufällig einer, dem ich nicht unter Pseudonym geschrieben habe.
Wer hin und wieder meine Artikel liest, der merkt, dass ich nicht der Typ bin, der auf Schäuble & Co. verweist. Mancher Leser meint sogar, ich würde viel zu defensiv bei Personen wie dem Bundesinnenminister oder dem Herrn Wiefelspütz sein. Nun, das bin ich mitnichten – ich glaube nur, dass zu viele personelle Artikel am Problem vorbeizielen, es sogar verharmlosen. Schon im Jahr 2006 hatte ich einmal etwas dazu geschrieben: Meine Befürchtung ist, dass die Menschen sich auf Schäuble & Co. versteifen und glauben, sobald wir die “los sind”, ist das Thema Überwachung auch vorbei. Dem ist aber nicht so. Das Problem sitzt viel tiefer und ich suche es vor allem in den vielen Abgeordneten, die gerade nicht entsprechend ihrem Gewissen abstimmen, sondern nach meiner Wertung einfach “mitstimmen” oder “umsetzen”. Bei denen ich persönlich glaube, dass sie das tun, was man ihnen sagt und sie damit glücklich sind.
Als Beispiel für einen Teil meiner Eindrücke dient dann da der Abgeordnete Rix, der mir bei Abgeordnetenwatch sagt:
Soviel zu den juristischen Spitzfindigkeiten, in die ich mich nicht weiter vertiefen möchte, weil ich – wie ich eingangs bereits erwähnt habe – kein Jurist bin. Da werde ich mich ganz auf meine fachkundigen Kollegen verlassen, den vorliegenden Gesetzentwurf politisch bewerten und dann eine abschließende Entscheidung treffen […]
Man beachte die Wortwahl: Er verlässt sich nicht auf “fachkundige Kollegen”, die eine Empfehlung geben, sondern die eine “abschliessende Entscheidung” treffen. Sprich nach meiner höchstpersönlichen Lesart: Was die Entscheiden, das stimmt er. Logisch, so war das ja nicht gemeint. Jedenfalls jetzt, wo ich es hier in meinem vielgelesen Blog mal deutlich übersetze – ich bin gespannt wann ich eine Mail bekomme in der mir erklärt wird, wie es gemeint war.
Doch der Abgeordnete ist sich nicht zu verlegen, in seiner vorherigen Antwort vom 21.5. an mich nochmal detailliert die (rechtlichen?) Grundlagen seiner Entscheidung darzulegen:
Dies befreit die Mitgliedstaaten jedoch nicht von ihrer aus Artikel 249 des EG-Vertrages folgenden Pflicht zur Umsetzung der Richtlinie. […] Die Richtlinie ist unabhängig von den Erfolgsaussichten der Klage umzusetzen.
Da haben wir es wieder, den üblichen Humbug. Natürlich muss die Bundesrepublik Deutschland das umsetzen – aber das hat nichts mit der Freiheit des Abgeordneten zu tun. Der darf tun und lassen was er mag. Das Problem ist wahrscheinlich nur: Unsere Abgeordneten wollen das gar nicht. Das ist nämlich Arbeit – und zudem unangenehm, muss man sich doch ständig erklären.
Man beachte meine Frage vom 21.5.07, so formuliert:
Sie stimmen also verfassungswidrigen Gesetzen zu, nur weil es sich um die Umsetzung einer EU-Richtlinie handelt?
Wer nun in seiner Antwort nach einem “Nein, natürlich nicht” sucht, wird leider nicht fündig. Ein ausdrückliches “Ja” findet man aber auch nicht, da war die Angst dann wohl doch zu groß, stattdessen sowas hier:
[…] weder Sie, noch der Anwaltstag können ein Gesetz für verfassungswidrig erklären.
Nun, mutige Äußerung für jemanden, der in der gleichen Antwort festhält, dass er kein Jurist ist, der feststellt, dass eben nicht nur ich, sondern eine Vielzahl von Juristen der Meinung ist dass er da gerade Unsinn macht und der zudem die “abschließende Entscheidung von Fachleuten” abwartet. Dass die Logik hinter dem Satz ist, dass ein Gesetzesentwurf für einen Politiker somit niemals verfassungswidrig sein kann ist dann entweder perfide Logik oder pure Dummheit.
Klar, der Kritiker wird mir jetzt vorwerfen, dass ich wohl will, dass ein Abgeordneter tut was ich ihm sage – und somit ebenfalls den Artikel 38 I GG mit Füßen trete. Falsch. Ein Abgeordneter, der für die VDS stimmt, weil er alleine der Meinung ist, dass es gut ist, ist mir letztlich lieber als einer, der nur “mitstimmt”. Als einer, der unbenannten, namenlosen “Fachleuten” folgt oder “umsetzen” will weil er meint es tun zu müssen.
Denn ersterem kann ich sagen, dass wir uns vor dem BVerfG sehen. Bei ersterem weiß ich, dass bei den nächsten Abstimmungen wieder sein Gewissen zählt – und nicht Parteitaktik oder so genannte Fachleute bzw. vermeintliche Umsetzungspflichten. Ersterer handelt zwar nicht in meinem persönlichen Interesse, aber vollkommen demokratisch.
Ich kann nach den diversen Frage/Antwort-Spielchen auf der Möchtegern-Demokratie-Plattform Abgeordnetenwatch einen Eindruck durch die Bank festhalten: Der Durchschnitts-Abgeordnete von CDU/SPD wehrt nur ab. Ein Austausch, eine Diskussion findet ohnehin nicht statt. Er hat (oder bringt für mich zumindest) keine Argumente; er stimmt nicht mal teilweise zu, er wirft zwischendurch (wie Rix) vor, man “suche sich nur aus was einem in den Kram passt” und tut dann (wie Rix) eben dies. Demaskieren muss ich da nichts: Das tun die bestenfalls peinlichen Antworten die ich durch die Bank bei Abgeordnetenwatch erhalten habe, schon von selbst.
Womit wir wieder am Anfang sind: Die SPD ist nicht mehr die Mitgliederstärkste Partei. Sie ist inzwischen die Fast-20%-Partei. Abgeordnete wie die hier beschriebenen sind da für mich ein Mosaik im Gesamt-Puzzle. Sie zeigen genau das, was ich aber allen Parteien großteils vorwerfe: Den fehlenden Mut zum Idealismus. Alles was ich will, ist ein Abgeordneter, der den Mut hat, eine Entscheidung zu treffen und die zu vertreten. Der nicht ausweichend mit dem Finger irgendwohin zeigt, wenn Entscheidungen anstehen, sondern eine eigene Entscheidung trifft, diese auch vertreten kann und sich auch nicht zu schade ist, hinterher zu sagen: Ich habe mich geirrt, mein Fehler, ich gelobe Besserung. Das ist, was der Artikel 38 I GG sagt, es ist eine einfache Arbeitsanleitung und ein guter Weg um gewählt zu werden.
Eben diese Abgeordneten sind aber auch die Gefahr wenn es um den Überwachungsstaat geht. Nicht ein Schäuble, ein Wiefelspütz (der übrigens gerade seinem Gewissen folgt!) – es sind die ganzen “Mitstimmer”, die den selbst ernannten “Fachleuten” folgen und bei denen man Angst haben muss, dass sie sich nicht nur jetzt nicht schämen, nachdem das BVerfG das Gesetz bereits teilweise kassiert hat – sondern die vollkommen schamlos, wenn sie nächstes Jahr in der Opposition sitzen, dann wahrscheinlich auch noch dagegen sein werden.
Der Abgeordnete Rix hat das Gesetz übrigens abgelehnt, meine erste Einschätzung an dieser Stelle er hätte dafür gestimmt war falsch! Bescheuerter Fehler meinerseits für den ich mich natürlich ausdrücklich entschuldige, auch (nach Korrektur dieses Kommentars) noch in einem eigenen Artikel.
Viele verspüren in diesen Tagen Schadenfreude. Ich leider nicht. Denn ich glaube nicht, dass die jetzigen Parteien die Courage oder den Verstand aufbringen, neue Bündnisse einzugehen. Ich glaube, die SPD stürzt hoffnungslos ab, beratungsresistent, nachdem sie schon vor Jahren Menschen wie mich vergrault hat und alles daran setzt, damit diese Klientel auch nichtmal daran denkt, dort aktiv zu sein.
Ich sehe nächstes Jahr eine Regierung auf uns zukommen, die keine Sorgen hat, Datenschutz und Bürgerrechte zu Gunsten so genannter Sicherheit abzubauen. Eine 2-Parteien-Regierung, die Ihre Stärke vor allem aus zerstrittener Opposition gewinnt. Ich muss hier keine Parteien, keine “Gewinner”, nennen – das wichtigste ist der bereits heute feststehende Verlierer: Der Bürger.