Diskussion zu Netzsperren: Keine Grenzüberschreitung bitte!
20.04.2009
Die “13 Lügen der Zensursula” verbreiten sich zur Zeit wie ein Lauffeuer. Und sie sind auch gut geschrieben, doch es gibt dort eine Grenzüberschreitung, die mich stört und die ich – gerade als Gegner von Netzsperren – hier aufgreife. Unter #2 liest man:
Lüge #2 und Hauptproblem bei den tragenden Politikern: Es gibt keinen Massenmarkt, es gibt keinen kommerziellen Vertrieb, es gibt keine Millionenumsätze.
Es sind Einzeltäter und die tauschen in geschlossenen Zirkeln, vornehmlich außerhalb des Internets.
Nun stimmt es, dass es keinen “Massenmarkt” im Sinne des herkömmlichen Begriffes gibt. Es ist vielmehr ein Nischenmarkt, der aber existiert und auf zahlreichen Absatz ausgerichtet ist. Der Verweis auf “Einzeltäter” ist verzerrend: Zwar ist es, und auch das habe ich hier mehrfach betont, weder ein Massenphänomen, noch findet man an dieser Abartigkeit Gefallen, nur weil man es – wie Fr.v.d.Laien gerne behauptet – mal gesehen hat. Dennoch sind es nicht “nur eine Handvoll” Täter wie diese Zeile suggeriert.
Auch das “tauschen ausserhalb des Internets” ist so nicht ganz richtig: Jedenfalls Webseiten, die hier ja avisiert werden mit der “Sperrliste”, sind nicht das Tauschmedium per se, sondern vielmehr P2P-Netze oder geschlossene Foren. Die aber Teil des Internets sind. Ebenso wie auf ausländischen Märkten gekaufte DVDs gerippt und via Internet, auf nicht öffentlichen Kanälen, “getauscht” werden.
Die Umsätze sind, insofern greife ich auf Unterlagen aus Uni-Seminaren zurück, durchaus sehr hoch. Fraglich ist, wie man die beziffert: Zählt man alleine den Umsatz im Internet, zählt man die DVD-Produktion dazu? Wie will man schätzen? Wenigstens “Millionenumsätze” weltweit erscheint mir allerdings nicht abwegig und deckt sich mit den Unterlagen aus meiner Ausbildung. Fakt aber ist, dass die Umsatzzahlen sich nicht ändern durch die Maßnahme, da der Umsatz aufgrund der ungeeignetheit gar nicht geschmälert wird – also ist der Umsatz schon gar kein Argument und man muss nicht philosophieren wie viel da überhaupt fliesst.
Ich sehe zunehmend die Gefahr, dass im Eifer des Gefechts ein Problem zumindest teilweise verharmlost wird, dass sehr viel Beachtung verdient hat: Kindesmissbrauch ist ein Problem. Eines, dass ein zielgerichtetes Vorgehen verlangt – allerdings nicht ungeeignete Maßnahmen weil ja ohnehin jedes andere Grundrecht quasi unbedeutend ist daneben. Das Argument gegen Netzsperren ist die fehlende Kontrolle, der mögliche Missbrauch und die Tatsache, dass man damit schlichtweg gar nichts erreicht. Das kann man auch kommunizieren, ohne am Problem selbst auch nur ein Körnchen Bedeutung abzukratzen.