Datenschutz

Freitagskommentar: Benötigen wir eine „Stiftung Datenschutz“?

25.06.2010

Zunächst wäre nach wie vor ungeklärt, was genau überhaupt Daten sind. Jedes Datenschutzanliegen muss unscharf bleiben, weil eine verbindliche Definition dessen, was Daten sind, bisher schlicht nicht vorhanden ist. Dasselbe gilt übrigens auch für Information. Keiner kann bisher beanspruchen, eine zweifelsfreie Definition für Information geliefert zu haben. Was für eine Gesellschaft, die sich als Informationsgesellschaft empfindet, eigentlich ein starkes Stück ist. Es sei denn, wir benötigten eine gewisse Unschärfe.

Bereits anhand dieser grundsätzlichen Feststellungen wird klar, wie die Antwort auf die Frage ausfallen wird, ob wir eine Datenschutz-Stiftung benötigen: einige werden sie brauchen, andere könnten sie für geradezu schädlich halten.

Stiftung Datenschutz: dieser Ansatz setzt voraus, dass wir von einem bereits vorhandenen Rechtsgut sprechen, welches gefördert und geschützt werden könne oder müsse. Was wiederum erfordert, dass ein Konsens besteht, was nun Datenschutz meint, und was er leisten soll. Für wen oder für was ein Datenschutz wichtig sei.

In einer global vernetzten Welt müsste dieser Ansatz sich zudem auf eine globale Gültigkeit stützen, oder demnächst erlangen können. Also ein global gleiches Verständnis unterstellt darüber, was z.B. Persönlichkeits-Rechte sein sollen. Dann ein Einvernehmen darüber, wie mit den bereits vorhandenen, fast schon unendlichen, sowie zukünftig hinzukommenden Datenmengen umzugehen sei. Ein global harmonisiertes Verständnis für die Problematik im Umgang mit Daten wird dabei vorausgesetzt, dieses bezieht sich keineswegs nur auf personenbezogene Daten, sondern auf die Verknüpfung von Daten insgesamt.

Über alledem wäre eine global agierende Institution notwendig, welche die notwendigen Einhaltungen dann auch durchsetzt: ein internationales Rechtssystem. Was zunächst eine Angleichung aller Kulturen sowie Gesellschaftssysteme erforderlich machen dürfte.

Auf einer rein regionalen, nationalen Ebene könnte man zu dem Schluss gelangen, Datenschutz sei wichtig für eine gesellschaftliche Weiterentwicklung und Entfaltung. Was voraussetzt, dass wir es zukünftig noch mit Gesellschaften zu tun haben, die sich weiterentwickeln sollen. Entfaltung jedoch benötigt Freiräume, welche zunehmend verregelt werden.

Dazu betrachten wir den akuten Zustand unserer derzeitigen Gesellschaft. Diese befindet sich womöglich in keinem wirklich guten Zustand, womit immer dies auch erklärt werden möge. Je nach politischer Ausrichtung wird von allen mal weniger, mal mehr Regulierung gefordert und betrieben. Die Konstante dabei: reguliert wird immer.

Andererseits wird die Last einer bereits vorhandenen Überregulierung beklagt.

Bedauerlicherweise stehen sich diese beiden Lager mit ihren entgegenstehenden Forderungen nicht mehr in den Parlamenten gegenüber.

Man könnte den Eindruck gewinnen, wonach trotz unterschiedlicher Fassade die politischen Parteien allesamt auf der regulierenden Seite wirken, während die mittlerweile wortlos gewordenen Überregulierten sich passiv auf der anderen Seite befinden.

Keine gute Sache für das System einer repräsentativen Demokratie.

Vielleicht fehlt uns bereits ein Verständnis dafür, was das Funktionieren von Demokratie voraussetzt? Benutzen wir Begriffe, deren Inhalte sich, unscharf geworden, längst verflüchtigt haben, deren tatsächliche Bedeutung wir gar nicht mehr kennen?

Was genau meint übrigens Bildung?

Der Staat regelt und schafft idealerweise jene Gesetze, die das gedeihliche Zusammenleben innerhalb einer Gesellschaft gewährleisten sollen. Lassen wir mal beiseite, ob ein Staat dieser Aufgabe noch nachkommen kann, wenn sämtliche diesen Staat tragenden Parteien sich ähneln in ihrem grundsätzlich vorhandenen Regelanspruch. Keine unserer Parteien profiliert sich dadurch, dringend notwendige Freiräume tatsächlich wiederherzustellen. Oder wenigstens zu erhalten.

Der Bürger wird machtlos gegenüber seinem Staat, wenn er die Macht nicht mehr wirksam an sich voneinander unterscheidende politische Ansätze delegieren kann.

Nun entsteht die Option, in diesem inzwischen allmächtigen Parteienstaat ein Verfügungsrecht über eigene Daten, über den eigenen Datenschatten reklamieren zu können.

Zu Ende gedacht wäre dies ein Hebel in der Hand des Bürgers, des immerhin noch so bezeichneten Souveräns, eine über Allen schwebende Staatsallmacht in seine Grenzen zu weisen, dem Wissen des Staates über alles und jeden Einhalt gebieten zu können. Um dadurch die Gesellschaft nicht nur lebenswert, sondern womöglich sogar deren Lebensfähigkeit zu erhalten.

Man könnte sich klarmachen, dass wir bei Daten über die Grundlage einer jeden Planwirtschaft reden, dass es hierbei um die Voraussetzung zur Umsetzung sämtlicher Vorgaben geht im Rahmen unterstellten, staatlich sinnvollen Handelns. Was also irgendeinem Planerstab gerade einfällt. Dies jedoch hat nicht mehr viel mit der eigentlichen Aufgabe eines Staates zu tun: das möglichst gedeihliche Miteinander zu ermöglichen. Der Staat gibt stattdessen vor, was aus seinem Blickwinkel als gedeihlich zu gelten hat.

Sowas besiegelt früher oder später das Schicksal einer jeden staatlichen Gemeinschaft.

Jedoch geht es bei der Stiftung Datenschutz gar nicht um jene Daten, die der Parteienstaat über uns erhebt, und über deren Erhebungen er sich bereits in der Vergangenheit in exzessiver Weise einen immer weiter gefassten Zugriff verschafft hat. Eine Stiftung Datenschutz wird keine Zertifikate beispielsweise über datenschutzfreundliche Gesetzgebung oder der mit der Ausführung betrauten Administration erteilen.

Welche Tätigkeit verbleibt der Stiftung demnach, um sich als Bürger wenigstens noch etwas Anschein persönlicher Hoheit erhalten zu können? Zäumen wir dieses Pferd nicht von hinten auf und fragen uns gleich: wer ist es, der hier Hilfestellung anbietet dabei, uns einen Rest von Illusionen einer Selbstbestimmung zu erhalten?

Es ist der Staat. Es ist eine „liberale“ Regierungspartei, die uns dergleichen nahe legt. Datenschutz ist auch ein Feld für politische Profilierung und Selbstinszenierung geworden.

Das Ganze soll jedoch Stiftung heißen. Nicht etwa: Behörde. Man stiftet uns etwas.

Eigentlich müsste den Bürgern die Kontrolle über ihre Daten vollständig zufallen, und zwar weltweit, und dies sollte nicht durch Organisationsformen geschehen, in denen der Staat auf irgendeine Weise seine eigenen Interessen einbringt, verfolgt und verfestigt. Dann könnte man von Datenschutz sprechen. Wäre dies überhaupt noch möglich? Sicher nicht. Aber es dämmert uns vielleicht, dass Datenschutz-Strukturen nicht zentralistisch angelegt sein sollten.

Sich lediglich den Umgang mit Daten aus dem Privat- und Geschäftsleben zertifizieren zu lassen durch einen Staat, der in seinem derzeit erreichten Stadium bereits kein Interesse mehr aufbringen kann, dem Bürger irgendwelche staatlichen Hoheitsrechte gegenüber deren Datenschatten unbeschnitten zurückreichen zu wollen, das erscheint wie ein Placebo. Es hat mit Datenschutz nichts zu tun, wenn wir die globalen Zusammenhänge berücksichtigen. Es nennt sich nur so.

Dennoch wird eine solche Stiftungs-Behörde prosperieren. Denn kein Gewerbetreibender wird es sich leisten – freiwillig oder nicht – eine Lizensierung durch diese staatliche Agentur nicht vorweisen zu können.

Es wird damit jener Impuls absorbiert, den ein Bürger, und den der freie Markt und seine in Konkurrenz stehenden Lösungen selber durch Initiative und Kontrolle aufbringen könnten und müssten. Mit einer staatlich initiierten Stiftung wird im Gegenteil die dringend notwendige Befassung, Wachsamkeit und Aufrechterhaltung kritischer Skepsis eingeschläfert.

Wieder einmal wird suggeriert: Die kümmern sich bereits. Eigenes Engagement ist unnötig.

Eine neue Behörde entsteht, und egal wie sie zusammengesetzt und nach außen benannt sein wird: einmal etabliert, wird diese Behörde eine monopolartige Bedeutung für ihre Schein-Kompetenz erringen. Von außerhalb einer derartigen Behörde kann anschließend nicht mehr viel verändert werden. Eigentlich befand unsere Gesellschaft sich bereits im Besitz der Erkenntnis, wonach Monopole ihre Schattenseite haben.

Datenschutz muss das Anliegen aller sein. Es ist ein Kulturwandel im Gange, der auch den Bereich erfasst und weiterhin erfassen wird, den wir heute noch als Privatsphäre bezeichnen.

Die Welt vernetzt sich auf vielfältige Weise, und sehr viele Menschen finden Gefallen daran. Nationale Vorgaben treten bei einigen Aspekten dabei in den Hintergrund. Dieser globale Wandel ist bereits unumkehrbar, wenn man die große Bereitschaft wertet, mit der Menschen ihre persönlichen Belange mitzuteilen bereit sind. Diesen Wandel nach Maßgabe deutscher Befindlichkeit zurückholen zu wollen, erscheint zumindest ambitioniert.

Es sollte vielmehr um einen bewussten und souveränen Umgang mit den Daten eines jeden Einzelnen gehen, um die Erlangung des dazu unbedingt notwendigen, kritischen Bewusstseins eines jedes Einzelnen. In einem Regulierungsstaat ist dies eine schwere Aufgabenstellung. Ein staatlicher Ersatz hierfür ist jedenfalls nicht organisierbar. Schon gar nicht global.

Sich an die Spitze eines Unterfangens zu stellen, um hierbei stellvertretend einzugreifen bedeutet womöglich, dass zumindest die technischen und psychologischen Kenntnisse und Einsichten fehlen, was hier über unsere Welt gekommen ist und womöglich auch, was unsere Welt zusammenhält.

Dennoch uns allen natürlich viel Glück auch mit dieser staatlichen Stiftung Datenschutz.

Autor:
Eckehard Kraska

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Rechtsanwalt Dr. Sebastian Kraska

Über den Autor - Rechtsanwalt Dr. Sebastian Kraska

Herr Dr. Sebastian Kraska gründete die IITR Datenschutz GmbH, die auf den Bereich des betrieblichen Datenschutzes spezialisiert ist und als Anbieter von Datenschutz-Management-Systemen Unternehmen bei der Bewältigung datenschutzrechtlicher Anforderungen unterstützt.

Herr Dr. Kraska selbst ist als Rechtsanwalt ausschließlich im Datenschutzrecht sowie gemeinsam mit Regionalpartnern als externer Datenschutzbeauftragter tätig und betreut dabei Unternehmen und Behörden. Er ist zudem Beirat der Zeitschrift ZD des Beck-Verlages.

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