Freitagskommentar zum Datenschutz: Street View in Clouds
27.08.2010
Google ist ins Unrecht gesetzt worden, wenn man einer Wortmeldung der Anwälte Wilde, Beuger & Solmecke folgt.
Ein ehemaliger Verfassungsrichter hingegen wird in Anspruch genommen mit: Experte hält Verbot durch Verfassungsgericht für möglich.
In dem Folge-Text werden Rahmen-Bedingungen aufgeführt, unter denen Street View als rechtswidrig eingeschätzt werden könnte. Dies unter der Voraussetzung, wonach das Verfassungsgericht sich der Nutzbarmachung von zwischenzeitlich eingetretener technischer Weiterentwicklung entgegenstellen sollte. Denn Street View selber ist nicht neu, wie wir noch sehen werden. Neu ist lediglich die Technik, die (nicht nur) Google einsetzt, sowie all jenes, was mit dem Einsatz neuer Techniken denkbar wäre.
Sämtliche politischen Gruppierungen wollten das Sommerloch nicht einer sich erneut für zuständig haltenden Ministerin Aigner überlassen und reklamierten entweder das vermeintliche Vorliegen eines gesetzwidrigen Verhaltens von Google, oder aber sie beklagten das Fehlen einschlägiger Gesetze, um Google Einhalt gebieten zu können und erwarteten umgehende gesetzgeberische Abhilfe.
Erwartungen, deren schnelle Umsetzung durch Innenminister de Maziere gedämpft werden.
Die Gewährung einer Einspruchsfrist gegen eine Erfassung durch Street-View, sowie die nachträgliche Verlängerung dieser Frist: stellte dies womöglich ein kulantes Entgegenkommen seitens Google dar?
Auch die EU meldete sich mit der forschen Forderung nach Beachtung von EU-Standards, die dann jedoch in anderen, bereits abgefilmten EU-Ländern unbeachtet geblieben sein müssten.
Datenschutz stellt womöglich etwas vollständig anderes als das dar, was sich einige Bürger, Politiker oder Medien darunter vorzustellen scheinen.
Street View gibt es länger, als diese BRD existiert. Vorläufer der aktuellen Street View-Fahrzeuge waren VW-Käfer, auf deren Dach die damals verfügbare Kameratechnologie durch die Städte gefahren wurde, um aus den gewonnenen Bildern dreidimensionale Stadtkarten entwickeln und anschließend vermarkten zu können. Haupteinnahmequelle derer Tätigkeit war und ist bis zum heutigen Tage die Werbung.
Street View, nun mit aktueller Technik, betreibt beispielsweise auch die Stadt Duisburg. Denen geht es ausschließlich um Erfassung, Speicherung und Dokumentation von Gebäuden. Von einer Einspruchsfrist oder einem Angebot der Unkenntlichmachung eigener Gebäude – gar gemäß eines vermeintlichen EU-Datenschutz-Standards – ist im Falle Duisburg nichts bekannt.
In einem Aufsatz las ich: „German Angst“ sei womöglich Triebfeder unserer Skepsis, Deutsche wären mithin Angsthasen. Glaube ich aber nicht. Eher käme ein Defizit von persönlicher Souveränität und Gelassenheit in Betracht. Wobei ich nicht ausschließen will, dass in der Öffentlichkeit Ängste geschürt werden. Politik durch Hysterisierung: derartige Vorgehensweisen zur Erreichung politischer Ziele scheinen bei uns insgesamt zuzunehmen. Wer erinnert sich noch an die Ängste der Deutschen, demnächst ohne Wald auskommen zu müssen.
Dem deutschen Wald geht es gut.
Andere Länder haben offensichtlich ganz andere Probleme. Frankreich beispielsweise versteht sich als Wiege der Aufklärung, und damit als Hüter des Wertes gleicher Rechte für alle Menschen.
Die französische Regierung macht nun geltend, dass dies auch in dem tagtäglichen Umgang der Menschen untereinander zum Ausdruck kommen muss, und erwägt daher ein Verbot der Burka. Diese sei sowohl Instrument als auch Ausdruck von Unterdrückung der Frau.
Wer wollte hier widersprechen.
Eine Burka-Trägerin aus Frankreich widersprach. Sie macht geltend die Burka deswegen zu tragen, weil sie nicht angeschaut werden wolle. Sie wolle sich vor den Blicken anderer schützen.
Die Diskussion in der BRD über ein mögliches Burka-Verbot verläuft etwas anders als in Frankreich. Wir tragen andere Bürden als jene der französischen Revolution.
Wahrscheinlich liegt es nicht an der gewöhnlich schwarzen Färbung einer Burka, warum sich ausgerechnet die CDU gegen ein Burka-Verbot aussprach (Schwarz ist keine Farbe. Ich weiß.) und sich damit die Chance eines weiteren Verbotes durch die Finger flutschen lässt.
Ist hier etwa jener legendäre politische Wille am Werk, unserer Gesellschaft einen Rest von Individualität erhalten zu wollen? Indem man gestatten will, sich vor den Blicken anderer schützen zu können?
Wir Deutsche sind ein trachten-freudiges Volk. Vielleicht sollten wir – als Ausdruck eines durch unser derzeitiges Datenschutz-Verständnis transportiertes Verlangen nach Individualität – die Burka zur Tracht erheben? Die Tracht des Datenschutzes.
Um sich von einer Frauenfeindlichkeit dieser Kleidung glaubwürdig distanzieren zu können, müsste dieses Gewand dann jedoch auch durch den Mann getragen werden. Gleichheit für alle.
Burka für alle, die für sich das Recht reklamieren, ihre Individualität von anderen Blicken unbehelligt und ganz für sich alleine zu beanspruchen.
Womit wir wieder bei Street View wären.
Ich darf der Phantasie des Lesers überlassen, wie man beispielsweise aus einer bei Street View ausgepixelten Immobilie heraustritt und unter einer Burka vor unerwünschten Blicken geschützt sich ins nächste Wirtshaus begeben könnte.
Das ist Datenschutz in Vollendung. Verschmelzung der Kulturen.
Als indirekte Folge von New Technology könnte bei uns gar eine Burka-Industrie entstehen (Arbeitsplätze!) und wir hätten es allen erneut gezeigt, wie wir selbst aus dieser Nummer wieder herauskommen.
Zunächst jedoch müssen wir wohl noch etwas tiefer hineingleiten.
Neue Datenschutzgesetze stehen an, um die bereits geweckten Erwartungen auch bedienen zu können. Aufgeworfene Facebook-Fragen harren ebenfalls noch einer Regelung. Und vielleicht besteht auch noch der Ehrgeiz, sich dabei des in Gang gekommenen Cloud Computing gesetzgeberisch anzunehmen?
Letzteres wäre jedoch mit der Bitte verbunden, wonach sich am besten vorher jemand fände, der erklären mag, was man sich unter Cloud Computing überhaupt vorzustellen habe.
Autor: Eckehard Kraska
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