KI. OK. KO
27.12.2024
Zusammenfassung
Europa hinkt hinter den USA und China sowohl in der Entwicklung eigener KI-Technologien als auch in der digitalen Transformation zurück, was durch mangelnde Investitionen und Innovationen verstärkt wird. Die Nutzung von KI birgt Potenzial für Effizienzsteigerungen, bringt jedoch technische, ethische und rechtliche Herausforderungen mit sich, die international abgestimmte Lösungen erfordern.
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Ein Blick auf die Umsetzung der Künstlichen Intelligenz, das Ringen um deren rechtliche Einordnung sowie weitere mögliche Konsequenzen.
Frau Lagarde, Präsidentin der EZB und damit eigentlich für andere Aufgaben zuständig, fordert vor der UNO weltweite Regelungen zur künstlichen Intelligenz.
Yuval Noah Harari, einflussreicher Philosoph aus dem Umfeld des WEF bringt die Haftung für Besitzer von sozialen Medien ins Gespräch für die Zuverlässigkeit von Nachrichten, die deren Algorithmen verbreiten. Die Meinungsfreiheit der Menschen jedoch, so Harari, muss gewahrt bleiben.
Letztlich dreht sich alles um Vertrauen.
Auf den zweiten Blick wünschte man sich, dass Meinungen von Personen, die es verstehen, für sich oder für ihre Sache eine hohe Glaubwürdigkeit herzustellen, um auf diese Weise Meinung als Tatsache in Umlauf zu bringen, ebenfalls in Verantwortung genommen werden sollten.
Verantwortlichkeit festzustellen stellt allerhöchste Anforderungen an die Unabhängigkeit von Justiz und Wissenschaft.
Der einstige Export-Weltmeister Deutschland befindet sich im Umbau von einem Land, in welchem – grob – hochwertiger Maschinenbau betrieben wurde. Die Transition kam nicht plötzlich. Keine nennenswerten Vorbehalte aus der Industrie oder den die Gesellschaft tragenden Organisationen, Parteien, Medien oder seitens der Bevölkerung waren zu vernehmen. sodass der Weg in eine digitale Wirtschaft geebnet werden konnte.
Deutschland tut sich schwer mit der Digitalisierung.
Seit Jahrzehnten werden Anstrengungen unternommen, das Internet auszubauen. Die Corona-Pandemie hat Defizite nicht nur bei der Digitalisierung des Bildungssystems offengelegt. Im öffentlichen Bereich gibt es eine Reihe gescheiterter digitaler Projekte. Bisher entsteht noch nicht der Eindruck, wonach Deutschland über so etwas wie einen „digitalen Daumen“ verfügt.
Passt unsere Mentalität zu einem digitalen Umfeld? Liegt es am Datenschutz?
Politiker behaupten dies, aus der Wirtschaft ist ähnliches zu hören, irgendwann könnte es Schuldige geben müssen.
Tatsache ist, dass wir den Anschluss an die Entwicklung der digitalen Wirtschaft bereits verloren hatten, als es noch keinen nennenswerten Datenschutz gab. Kurz vor der Jahrtausendwende entstanden jene US-Firmen, die heute das digitale Geschehen der westlichen Welt dominieren sowohl hinsichtlich Software, Hardware, Verbindungstechnologie, der sozialen Medien, als auch der künstlichen Intelligenz.
OpenAI, mit Microsoft verbunden, hat vor zwei Jahren mit der freien Zugänglichkeit seines ChatGPT die öffentliche Aufmerksamkeit auf die Möglichkeiten von KI gelenkt, welche allerdings über Textbearbeitung, Zusammenfassung, Komponieren von Musik oder Bildern hinausreicht.
Meta (Facebook) hat etwas später seine diversen KI-Entwicklungen „Llama“ zur allgemeinen Nutzung freigegeben. Deren derzeit kostenlose Freigabe ihres Llama folgt wohl der Überlegung, die eigene Kundschaft in eine gemeinsame Meta-Struktur einbinden zu können.
Google ist inzwischen mit „NotebookLM“ vertreten. Ob man einen Schriftsatz oder ein Gutachten, ein Video oder einen Podcast – für welchen zeitgleich dann Textausgaben ausgegeben werden – oder doch gleich ein ganzes Buch eingibt, über das man in Kürze eine Zusammenfassung, eine Kritik, oder die Schwachpunkte in der Argumentation – alles mit Quellenangaben – in Händen halten wird. Für das dann nur noch die Sprache der Wahl für die Ausgabe angeben wird. Es ist klar: viele Tätigkeiten werden in Zukunft schneller, und womöglich auch qualitativ besser durch den Einsatz einer LLM, also durch künstliche Intelligenz abgewickelt werden. Die Programme sind frei verfügbar und kostenlos. NotebookLM ist auf die Google-typische Einfachheit der Bedienung hin optimiert. Irgendwann wird dies etwas kosten, dann aber immer noch billiger sein, als Mitarbeiter einzusetzen. Sofern man solche findet, um Verlautbarungen gleich welcher Art zu sichten, zusammenzufassen, zu bewerten. Man kann kaum alle Bereiche aufführen, die auf solche Dienstleistungen zurückgreifen werden.
Die EU hat währenddessen ihren „AI-Act“ auf den Weg gebracht mit Vorgaben, wie KI-generierte Vorgänge in das europäische Rechtsverständnis einzubetten sind.
Personenbeziehbare Daten stellen dabei eine der Herausforderungen dar. Dabei stößt man jedoch an technische Grenzen. Die Funktionsweise einer LLM, eines Large Language Models, vollzieht sich auf digitaler Ebene vorab eingelesener Text-Dateien, deren statistische Zerlegung mit sich anschließender Verknüpfung und Aufarbeitung in der Weise, durch neu zusammengefügte Daten möglichst sinnvoll erscheinende Schlüsse zu generieren.
Versuchen wir einen Vergleich, um das dadurch entstehende Problem zu beschreiben:
Tröpfelt man irgendeine beliebige Flüssigkeit in einen großen See, so lässt sich dies irgendwann nicht mehr vollständig rückgängig machen. Selbst wenn man den See filtern würde, könnte es möglich sein, im See dennoch einen Nachweis der verwendeten Flüssigkeit zu führen. Die rückstandslose Entfernung der Flüssigkeit ist irgendwann ebenso wenig möglich wie ein einmal eingegebener Datensatz rückstandslos aus einer LLM entfernen werden kann.
Die Entfernung von personenbeziehbaren Daten auf Verlangen gemäß DSGVO stößt an technische Grenzen. Dieses Problem ist der DSK (Datenschutzkonferenz) bekannt.
Bestünde man dennoch auf vollständiger Entfernung eines personenbeziehbaren Datensatzes, so sollte man aus Sicht des Datenschutzes besser auf die Verwendung von LLMs verzichten.
Das kann es wohl nicht sein.
Womöglich aus diesem Grunde soll die Durchsetzung des EU-AI-Acts nicht im Bereich der Datenschutz-Aufsichtsbehörden angesiedelt werden. Ein Vorschlag aus der Politik bringt dafür die Bundesmetzagentur ins Gespräch.
Jedoch existieren Vorstellungen, wie man das Problem der personenbeziehbaren Daten bei einer Verarbeitung durch künstliche Intelligenz adressieren könnte. Diesbezüglich ist das aktuelle Urteil des EuGH Meta/Schrems vielleicht wegweisend, es untersagt die Verwendung bestimmter Daten. Wir, die IITR Datenschutz GmbH, schlagen weitergehend vor, die Verwendung von Daten von dem Recht der Verarbeitung zu trennen, denn Daten sind gemäß unserer gerichtsanhängigen Beweisführung materiell, was für die Frage von Eigentum an Daten entscheidend sein sollte. Nicht ein möglicherweise theoretisches Vorhandensein von Daten stellt demnach das Problem dar, sondern deren unstatthafte Verwendung.
Solange grundsätzliche Fragen nicht rechtssicher geklärt sind, wird die Anwendung von Künstlicher Intelligenz zwischen den USA und Europa auseinanderdriften.
Die ausgefeilteste Llama-Versionen stellt Meta für Europa bereits nicht mehr zur Verfügung.
Apple hat KI in seine neuen iPhones integriert, allerdings für den EU-Bereich nicht freigeschaltet.
Europa ist, was die Entwicklung eigener LLMs anbetrifft, gegenüber den großen US-Unternehmen in Rückstand geraten. Es fällt schwer sich vorzustellen, wie man gegen durch Konkurrenzdruck sich fortwährend optimierende US-Giganten aufschließen könnte.
Als nennenswerte Entwicklung aus Europa sei dennoch das französische LLM Mistral genannt.
Aber auch Hardware-seitig greifen die allermeisten Entwickler sowie weltweiten Anwender auf die derzeit konkurrenzlose Hardware von Nvidia aus den USA zurück.
Die diesjährigen Nobelpreise für Physik gingen an zwei Pioniere der Künstlichen Intelligenz, John Hopfield, Princeton University und Geoffrey Hinton, University of Toronto. Sie haben die Grundlagen neuronaler Netzwerke erschaffen und erforscht, eine lesenswerte Darstellung findet sich unter diesem Link.
Hervorzuheben wäre, dass Hinton inzwischen als Warner vor den Möglichkeiten und Konsequenzen der KI auftritt.
Anwendungen
Amazon, IBM, Oracle etc. verfügen über eigene Entwicklungs-Abteilungen. So etwas ruft Elon Musk mit einem eigenen KI-Unternehmen auf den Plan, um Programmcode, also Software nicht mehr durch Programmierer, sondern direkt durch KI erstellen zu lassen. Das klingt realisierbar. Ähnliche Ansätze, wenn auch in kleinerem Maßstab werden bereits in Deutschland verfolgt.
Deutschsprachige Webinare, Vorträge und Präsentationen zu realen KI-Anwendungen finden sich industriespezifisch, kostenlos und Anbieterunabhängig auf der folgenden Seite.
Eine Untersuchung der LMU München im Bereich Rechtspflege listet KI-Anwendungen in Kanzleien und Unternehmen auf mit dem Ziel, zeitaufwändige Tätigkeiten zu automatisieren. Hierzu zählen Vertragsgenerierung, Textzusammenfassung, Auffinden einschlägiger Quellen, Transkriptionen. Hauptsächlich wird auf ChatGPT/OpenAI zurückgegriffen.
Den Report im Volltext finden Sie hier.
Neuronale Netzwerke werden in den unterschiedlichsten Bereichen eingesetzt wie der Teilchenphysik, der Materialwissenschaft oder der Astrophysik. Gleichzeitig haben diese Einzug gehalten in der Gesichtserkennung und in Übersetzungsprogrammen.
Sprachbasierte KI, also LLMs werden in Dienstleistungsbereiche hineinsickern, von jenen US-Unternehmen zur Verfügung gestellt, welche über geeignet mächtige Datenbestände, personelle Kapazitäten und scheinbar unermessliche finanzielle Ressourcen verfügen.
Kapital ist nicht der einzige limitierende Faktor einer Digital-Industrie, denn diese ist auch noch extrem Energie-bedürftig. Daher wird Three-Miles-Island, der gestrauchelte Atom-Reaktor in Harrisburg/Pennsylvania für Microsoft reaktiviert. Auch Google sichert sich den Zugang zu Nuklear-Energie. Inzwischen investiert Sam Altmann, CEO von OpenAI in Nuklearindustrie, Amazon investiert 500 Mio. Dollar in die nukleare Energieversorgung.
Im Gegensatz dazu begrüßt das „Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung“ – DIW – die Abwanderung von energieintensiver Industrie aus Deutschland.
Der Einsatz von KI-Technologien wird dennoch in deutschen Unternehmen gleich welcher Ausrichtung in den Bereichen Prozessautomatisierung, Analytik sowie Kundenservice an Bedeutung zunehmen. Große Herausforderungen stellt dabei der Fachkräftemarkt mit digitaler Kompetenz dar.
Eine weitere Unsicherheit wird im rechtlichen Rahmen des AI-Actes der EU gesehen, welcher vollständig im August 2026 wirksam werden wird.
Mit der abschließenden Erörterung des im Auftrag der EU-Kommission erarbeiteten Berichts über den „Wirtschaftlichen Status der EU“, durch Mario Draghi, dem vormaligen Präsidenten der EZB schließt sich unser EZB-Bogen.
Herr Draghi sieht die wirtschaftliche Zukunft der EU in Gefahr. Europa verliert den Anschluss. Zu wenig Investitionen und Innovationen, zu viel Bürokratie: Die Wirtschaft der EU droht, von China und den USA abgehängt zu werden. Um den Rückstand im globalen Wettbewerb aufzuholen, fordert er umfassende Reformen sowie eine Neuausrichtung der EU-Politik.
Dem schloss sich inzwischen der französische Präsident Emmanuel Macron am 2. Oktober auf der „Berlin Global Dialogue 2024“ an. Andernfalls stehe ein mögliches Scheitern Europas bereits in den nächsten drei Jahren im Raum.
Fazit
Die Welt wird zunehmend von Medien, von Bildern und Videos bestimmt, von Darstellungen, die mit der Realität in Konkurrenz treten um diese zu ersetzen. KI hat daran seinen Anteil. Es wird zu Veränderungen kommen.
Die Vorherrschaft der amerikanischen Digital-Wirtschaft wurde nicht durch staatliche Subventionen hervorgerufen.
Autor: Eckehard Kraska (der Beitrag stammt aus September 2024 und wurde in IITR Connect veröffentlicht)