Klage gegen VDS vor dem EUGH wackelt
14.10.2008
Der Schlussantrag des Generalanwalts liegt dem EUGH nun vor, und leider lag ich auch diesmal ganz gut: Er empfiehlt die Klage abzuweisen. In der Presseerklärung ist dazu zu lesen:
Der Generalanwalt erinnert daran, dass ein auf der Grundlage von Art. 95 EG erlassener Rechtsakt zum Ziel haben muss, die Bedingungen für die Errichtung und das Funktionieren des Binnenmarkts zu verbessern. […] Die Vorratsspeicherung von Daten durch die Anbieter elektronischer Kommunikationsdienste habe für diese eine finanzielle Belastung zur Folge, die proportional zur Zahl der zu speichernden Daten und zur Dauer der Speicherung sei.
Daraus folge, dass sich ein Anbieter elektronischer Kommunikationsdienste mangels Harmonisierung den mit der Vorratsspeicherung von Daten verbundenen Kosten stellen müsste, die je nachdem, in welchem Mitgliedstaat er seine Dienste anzubieten beabsichtige, verschieden wären. Solche Unterschiede könnten Behinderungen des freien Verkehrs elektronischer Kommunikationsdienste darstellen und Hindernisse für die Errichtung und das Funktionieren des Binnenmarkts für die elektronische Kommunikation schaffen.
Und auch wenn ich gegen die VDS bin, war das im Groben meine Argumentation in meiner letzten Klausur zu diesem Thema. Denn, bei aller Emotionalität und aller Polemik: Man muss bei der Sachfrage bleiben. Und in den vergangenen Monaten haben viele gezeigt, dass sie nicht begriffen haben, worum es in dieser Klage eigentlich geht – und warum sie auf verdammt dünnem Eis gebaut war.
Linktipps: Dazu auch Heise, wobei auch unser Bundesinnenminister was zu sagen hat. Sehr schön und ausführlich wird es bei Telemedicus dargestellt, wobei man diesen Satz dort:
Eine EG-Richtlinie, die nicht selbst rechtswidrig ist, steht in der Normenpyramide über dem deutschen Recht – auch über den deutschen Grundrechten. Das Bundesverfassungsgericht wird seine alte Rechtsprechung zur informationellen Selbstbestimmung dann nicht fortsetzen können.
nicht überbewerten sollte. Je nachdem bei wem man Europarecht gehört hat, nimmt man dazu etwas anders Stellung. Richtig ist es in jedem Fall, nicht von einem “Geltungsvorrang” sondern von einem “Anwendungsvorrang” zu sprechen (so z.B. Koenig/Haratsch Rn.117 mit ganz leichter Kritik)
Es geht hier nicht darum, ob es unverhältnismässig ist, 6 Monate lang die Daten zu speichern. Es geht nicht um Bürgerrechte oder Freiheiten – es geht einzig und alleine um Kompetenzgerangel. Ich versuche es gerne in aller Kürze – es ist schon spät – zu erklären.
Anders als viele meinen, sind EU und EG nicht das gleiche. Sie hängen zusammen, aber ohne ins Detail zu gehen: Sie sind unterschiedliche Konstruktionen. Und nur am Rande sei erwähnt, dass nur die EG eine eigene Rechtspersönlichkeit ist. Ein Rechtsakt der EU ist etwas ganz anderes als einer der EG.
Dabei gibt es nicht nur Unteschiede in der Form, sondern vor allem auch Unterschiede im Zustandekommen der Rechtsakte. Nur wenige wissen, dass die VDS ursprünglich als Rechtsakt der EU, im Rahmen der polizeilichen und justiziellen Zusammenarbeit, in Form des Rahmenbeschlusses kommen sollte. Aufgrund von Widerständen einzelner klappte das aber nicht – da ging man dann hin und machte es über die EG, wo man andere Mehrheiten brauchte. (An die Juristen: Ich habe die Fachliteratur ebenfalls gelesen, bitte nicht beschweren, ich versuche es so einfach wie möglich zu erklären).
So entstand dann die VDS als EG-Richtlinie, was wiederum Irland nicht passte, die dann klagten, um klar zu stellen, dass es wenn, dann nur über die EU geht.
Die Frage ob EU oder EG ist eine Frage von “Kompetenzen” (begrifflich falsch, aber leichter zu verstehen). Im EG-Vertrag und EU-Vertrag steht genau, was geregelt werden darf. Ich mache es wieder kurz: Die EG ist für den “Binnenmarkt” da. Ihre Aufgabe ist es im Prinzip, das finanziell einheitliche Europa zu stärken. Pauschal kann man es sich so vorstellen, dass all das, was dem Binnenmarkt (also der Wirtschaft) dient, über die EG abgehandelt werden kann. Der Generalanwalt legt vollkommen richtig dar, dass man die VDS problemlos unter diesen Binnenmarkt-Aspekt fassen kann. Wer dem folgt (und erfahrungsgemäß folgt der EUGH gerne dem Schluss antrag des Generalanwalts), muss die Klage ablehnen.
Ein Exkurs, diesmal mehr für Juristen: Aus rechtsdogmatischer Sicht ist es schade, dass der Generalanwalt es sich insofern recht einfach gemacht hat, denn die aktuelle Literatur verweist schon länger darauf, dass man gar keine Umwege mehr braucht. Wenn auch grossteils abgelehnt, hat der EUGH in der Rs. C-176/03 festgestellt, dass auch die EG das Kriminalstrafrecht einsetzen kann, sofern sie es für nötig hält. Nachzulesen u.a. bei Satzger ab Rn.41, speziell 42 und 45. In der Literatur vielfach zerrissen, da es die Kompetenzen der EG verletzt (originalwortlaut Satzger). Positiv steht dem aber Böse gegenüber, u.a. in GA 06, §11. Ebenfalls zustimmend ist Hecker im §8, nachzulesen unter Rn.27. Ich kann und will das an der Stelle nicht weiter ausführen.
Letztlich gilt nun: Abwarten, eine kleine Chance verbleibt ja noch.