Kontroverse in NJW 43/2008 zur Vorratsdatenspeicherung: Chance vertan
17.10.2008
In der heute erschienenen NJW 43/2008 findet sich eine Kontroverse: Zuerst ein Artikel pro und einer contra die Nutzung von Vorratsdaten bei Auskunftsansprüchen im Rahmen der Geltendmachung von Urheberrechten. Die Pro-Seite vertreten von Czychowski und Nordemann, die Contra-Seite von Hoeren. Von mir gibt es nur ein ganz ehrliches “leider” für die verpasste Chance.
Natürlich bin ich gegen die VDS, keine Frage, das merkt man wenn man hier regelmäßig liest. Dass jemand für die VDS und für die Verwertung der Daten im Rahmen der Geltendmachung von Auskunftsansprüchen bei Urheberrechten ist, finde ich gar nicht schlecht, solange der seine Position auch begründen kann. Gute Argumente, mit einem inhaltlich anspruchsvollen Streit, sind mir immer sehr viel Wert. Leider aber wird das nicht geboten, stattdessen wurden meine Vorurteile vollständig bedient.
So etwa, wenn die Pro-Seite schon im ersten Absatz die bekannten dubiosen Studien ins Feld führt, denen zu Folge die Musikindustrie horrende Summen durch Tauschbörsen verliert. Das ist bestenfalls schöne Lobby-Arbeit, interessiert mich aber herzlich wenig – ich glaube diesen Studien schlichtweg nicht. Ein getauschtes Lied ist nun mal kein “weniger verkauftes”, es sind unbrauchbare Fantasie-Rechnungen die in juristischer Argumentation nichts zu suchen haben. Jeder darf es anders sehen, Autoren die mit sowas nicht mal 1-2 Seiten warten können sondern sogar die ganze Argumentation darauf aufbauen, sind bei mir gleich unten durch.
Insgesamt führt die Pro-Seite einige gute Argumente an, so ist der Verweis auf die Frage, wo denn noch der Platz im Zivilrecht verbleibt, wenn das BVerfG im Strafrecht den Zugriff nur noch für schwerste Delikte offen lässt, vollkommen berechtigt. Aber diese Frage ist bestenfalls der Aufhänger und nicht die Quintessenz, als die sie die Schreiber darstellen wollen. Auch der Hinweis auf Art. 14 GG ist gut und ich freue mich, dass er endlich ins Feld geführt wird. Doch auch hier fehlen wesentliche Detailfragen, so wie z.B. die Frage, welche Schlüsse man aus dem Störerprinzip zieht, das hierhinter steht und ob nicht die bisherige Rechtsprechung zu diesem Thema passend ist, wenn man Datenschutz und Eigentumsrechte abwägen will. Dass die Autoren das Thema meiden ist verständlich, die h.M. wird hier sicherlich zu keinem günstigen Schluss kommen.
Am besten fand ich aber den Satz, in dem versucht wird zu erklären, was Datenschutz ist. Da liest man im entsprechenden Absatz den hier:
Der Datenschutz ist aber nicht Besitzschutz an Daten, sondern in erster Linie Schutz vor staatlichen Eingriffen.
Besonders lustig ist es, wenn sowas nicht nur Juristen schreiben, sondern auch noch in einer Zeitschrift die vornehmlich Juristen lesen. Es spricht für sich, dass alle Sätze vorher in diesem Absatz sowie der dann folgende, mit einer Fußnote belegt werden konnten – nur diese Aussage nicht.
Am Ende ist es ein Artikel, der leider am Thema vorbei geht und es Hoeren im dann folgenden Artikel nur zu leicht macht, die brüchige Argumentation zu zerbröseln. Wie gesagt: Ich mag kontroverse Artikel, ganz besonders, wenn Sie scharf formuliert sind und eine gegenteilige Sicht vertreten. Der Artikel in der NJW aber bietet hier nichts: Nichts neues, keine Details an den interessanten Punkten und nur aufgewärmte Argumente die seit Jahren bekannt sind. Da macht es auch keinen Spaß mehr, die berechtigte und fundierte Antwort von Hoeren hinterher zu lesen.
Ich hoffe, schon bald wird es nochmal einen Versuch geben, das Thema aufzugreifen. Dann aber so, dass man befürchten muss, sich die Zähne daran auszubeißen und mit wirklich neuen Ideen überrascht wird. Denn eines steht fest: Wir sind mitten in der Umwälzung kultureller Mechanismen. Das letzte was wir brauchen sind Methoden des letzten Jahrhunderts, sondern Juristen, die neue Wege gehen und dabei Mut beweisen – auf beiden Seiten. Nur so profitieren das gesellschaftlich bedeutungsvolle Urheberrecht und das individuell bedeutsame Datenschutzrecht in jedem Fall.