Datenschutz

Manchmal ist es auch ein bisschen Fachlich

02.07.2008

Ich schreibe gerne Freitags hier im Blog meinen typischen “Freitags-Kommentar”. Der ist ein bisschen polemisch, ein bisschen politisch und meistens hämisch. Doch Datenschutz ist sehr viel mehr als (Rechts-)Politik oder reines philosophieren über Bürgerrechte. Datenschutz ist vor allem eines: Juristisches Fachgebiet. Und wer mitreden (und mitspielen) möchte, der muss das beherzigen. Leider auch der AK VDS.

Hintergrund ist eine Meldung bei Heise, (hier dazu bei Golem) daraus kurz:

Es wäre zu begrüßen, sagt Alvaro, wenn der EuGH die Frage nach der Grundrechtsfestigkeit (in Bezug auf Artikel 8 der Europäischen Menschenrechtskonvention) gleich mit prüfen würde. Gegenstand der Klage ist dies aber nicht und laut der Prozessbeobachterin des AK Vorratsdatenspeicherung, Suat Kasem, gab es dazu heute in Luxemburg auch keine Nachfragen von Seiten des Gerichts.

“Geschockt” zeigte sich Kasem nach der Verhandlung darüber, dass der oberste Datenschützer Europas, Peter Hustinx, mit der umfassenden Speicherung der Kommunikationsdaten der Bürger offenbar kein Problem habe.

Nun, vor dem EuGH steht eine Frage zur Diskussion, die sehr interessant ist: War die EG zum Erlass einer solchen Richtlinie überhaupt befugt, oder geht es wenn, dann nur im Rahmen eines “Rahmenbeschlusses” (dann der EU im Rahmen der dritten Säule) – der ist zwar inhaltlich das gleiche wie eine EG-Richtlinie, als EU-Maßnahme aber an ganz andere Bedingungen geknüpft.

Dass Irland hier klagt und nur diese eine Frage vor dem EuGH thematisiert ist konsequent: Denn in Irland existiert die VDS meines Wissens schon länger (man mag mich korrigieren), für Irland geht es alleine um einen Streit um Kompetenzen – nicht um Inhalte. Die EMRK hat mit dieser speziellen Frage gar nichts zu tun.

Auch der “Schock” über Hustinx sollte vom Leser erstmal relativiert werden: Denn Informationen liegen nicht vor. Ich weiss nicht, was der Datenschutzbeauftragte der EU gemacht hat vor Gericht. Und wenn ein Datenschützer z.B. sagt, dass die Speicehrung seiner Meinung nach formaljuristisch in Ordnung ist, also den gesetzlichen/rechtlichen Vorgaben genügt, heisst das noch lange nicht, dass man selbst diese Maßnahme als gut erachtet. Man muss, vor allem in juristischen Fragen, nunmal immer trennen können zwischen der rechtlichen Sachlage und der persönlichen Meinung, auch wenn beides stark auseinander driftet. Andernfalls ist man ein schlechter Ratgeber. So wie in allen Lebenslagen, wenn man Sachverhalte durch persönliche Wertungen verzerrt.

Deswegen beurteile ich die Frage im Ergebnis anders und komme zum Ergebnis, dass der EUGH sehr wahrscheinlich die Richtlinie absegnen wird. Das mag mir nicht gefallen, aber mein Geschmack hat bei der juristischen Bewertung nunmal nichts verloren.

Persönliche Anmerkung: Ich selbst fand den AK VDS anfangs sehr gut, weil es dort vor allem um Sachfragen und notwendige Politik ging. Inzwischen dominieren dort in meinen Augen (!) in erster Linie medienwirksame Aktionen (“Ich stehe auf Heise….”, Medienwirksamer Einwurf des BVerfG-Antrags) und fachliche Analysen vermisse ich zusehends. Dies war mit der Grund für mich, letztlich (jedenfalls momentan) in keiner Organisation mehr irgendwas zu machen.

Die aktuelle PM des AK liest sich für mich letztlich auch nicht anders als Mitteilungen von Parteien (Was bitte ist eigentlich “Neogesetzgebung”?). Als Beispiel soll am Ende dieser Absatz dienen, der fachlich falsch ist, da er eine Abhängigkeit des BVerfG suggeriert, die es nicht gibt und unbedarfte Leser verwirren wird:

Sollte die Richtlinie fallen, wäre auch der Weg für das Bundesverfassungsgericht frei, die Umsetzung in Deutschland zu kippen.

Nachtrag, aus gegebenem Anlaß: Ich beantworte keine einzige Mail die mich zu dem Thema erreicht. Egal wer mir schreibt und egal wie “vernünftig” man mich beleidigt.

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9 Kommentare zu diesem Beitrag:

Und jetzt bitte nicht wieder Mails im 5-Minuten-Takt in denen ich beschimpft werde, weil ich es mir erlaube, an der "heiligen Kuh" AK VDS Kritik zu üben. Auch das muss möglich sein und ich schreibe hier ja ausdrücklich meine eigene und hochsubjektive Meinung.

Ihr seht es anders? Gut, kein Problem. Aber akzeptiert auch die (subjektive) Einschätzung anderer Menschen; wer das nicht kann, braucht weder als Bürgerrechtler noch Demokrat aufzutreten.

mitstreiter

hallo jens kannst du erklären was falsch ist an der aussage?
ist es nicht so daß nur wenn die richtlinie kippt das verfassungsgericht das gesetz tatsächlich kippen kann?

Nein; Das BVerfG kann das Gesetz auch dann "kippen" wenn die Richtlinie in der Form auf dem Weg erlassen werden durfte. Ich bezweifle sogar, dass die Richter sich durch den Ausgang bzw. den absehbaren Ausgang vor dem EuGH in irgendeiner Form beeinflussen lassen.

Malte S.

Ich hoffe sogar, dass die Richter an diesem Fall aufzeigen, dass sie auch die (volle) Kompetenz zur Kontrolle von Umsetzungsgesetzen haben. Die Solange-II-Rechtssprechung hat so langsam ihre "auflösende Bedingung" erreicht. (wäre n geiler Name "solangsam-Rechtssprechung"^^)

Es gibt viele Ansätze, die SOlange-II Geschichte aufzusprengen, in der juristischen Literatur ist in der letzten zeit schon zu spüren, dass die EUphorie etwas abgekühlt ist.

Ein wenig beachtetes Beispiel ist die Tatsache, dass Solange-II zwischen den Zeilen die Staatsprinzipien des GG stillschweigend voraussetzt - so etwa das Demokratieprinzip. Hier bieten sich Ansätze, die auch Gauweiler in seinem Schriftsatz aufgreift.

Fakt ist, dass wir inzwischen einen Umsetzungsautomatismus erleben und die Bundesregierung Gesetze quasi über die EU vorschieben kann - das BVerfG hat nicht nur das Recht, sondern langsam auch die Pflicht hier nochmal von Null an zu prüfen.

Fakt am Ende ist: Der einzige Grund für das BverfG, bisher von prüfungen abzusehen, war das BVerfG mit seiner Solange-II-Entscheidung selbst. So wie das BVerfG damals Solange-I durch Solange-II abgelöst hat, so kann es jederzeit Solange-II durch "Solange-III" ablösen.
Von daher mag es (auch momentan) vielleicht nicht sehr wahrscheinlich sein, dass das BVerfG die Umsetzung einer Richtlinie kippt, dass es aber gänzlich ausgeschlossen ist, ist falsch.

mitstreiter

Der Satz:

Sollte die Richtlinie fallen, wäre auch der Weg für das Bundesverfassungsgericht frei, die Umsetzung in Deutschland zu kippen.

stimmt also vollkommen. Wenn sie kippt, ist der Weg frei. Wenn sie nicht kippt, ist der Weg nicht gänzlich versperrt, aber auch nicht frei.

Danke, du hast mich und meine Aussage aus dem Artikel gerade bestätigt:

"Die aktuelle PM des AK liest sich für mich letztlich auch nicht anders als Mitteilungen von Parteien..."

Jetzt muss ich also eine PM des AK VDS so deuten und auseinandernehmen, wie ich die Sätze des Bundesinnenministers zerlegen muss? Danke. Und wie ich ebenfalls oben sagte, suggeriert die PM etwas, nicht dass sie etwas ausdrücklich sagt. Dass man Wurschtel-Aussagen immer irgendwie anders auslegen kann ist keine Frage.

Irgendwann kommt jeder mal zur Wortklauberei, die Frage ist nur, ob Bürgerrechtsorganisationen sich sowas leisten können oder wollen. Man kann auch einfach mal sagen, dass es ungeschickt war. Wer das nicht kann, ist endgültig Politiker.

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