News zum Datenschutz (2/2009)
10.01.2009
Ein paar gesammelte News und Gedanken zum Thema Datenschutz.
Staatliches Streetview
Überraschend ist hierbei bestenfalls die seltsame Rechtsauffassung der Stadt Bremen (Quelle: Heise):
Das neu gestaltete Internetportal der Stadt Bremen, bremen.de, muss nach einem Bericht der taz Bremen überarbeitet werden. Ein virtueller Stadtrundgang verletze die Persönlichkeitsrechte zahlreicher fotografierter Personen, befand der Bremer Datenschützer Sven Holst. Alle erkennbaren Gesichter müssen verpixelt werden. […] Weil die Fotografen deutlich wahrgenommen werden, sei das Vorgehen im Vergleich zu Google Street View nicht zu beanstanden. Dort würden anonyme Fahrzeuge benutzt.
Vor allem der Vergleich mit Google Streetview und die Argumentation warum man deswegen rechtmässig handeln würde ist doch recht weit hergeholt.
Identitätsdiebstahl 2.0
Nicht wirklich neu, aber dennoch sollte man darüber nachdenken, was Heise berichtet:
Kriminelle haben mehrere gefälschte Profile prominenter Personen auf der Social Networking Site LinkedIn angelegt, um ahnungslose Anwender anzulocken und ihnen unerwünschte Software unterzuschieben.
Eben dies ist der Grund, warum man selber Profile bei solchen Netzwerken haben sollte (man muss sie ja nicht mit Daten füttern) und auf einer kleinen eigenen Webseite darauf hinweist. Nur so kann man zur Zeit nachvollziehbar klarstellen, welche Profile echt sind.
RFID in den USA
Es ist interessant zu lesen, dass in den USA die gleichen Bedenken gegen RFID vorgebracht werden (was klar ist, denn die Technik ist die gleiche und die Bedenken hierzulande sind nicht erfunden); Noch interessanter ist, dass der Staat dort genauso wie hier denkt, er würde es besser wissen als die damit beschäftigten Fachleute.
Gläserner Schüler in Berlin
Die Bürger verstehen langsam, dass “Sicherheitspolitik” eben nicht nur Terrorismus berührt, sondern auch unseren Alltag. Wer daran denkt, liest den Satz hier ganz anders, der anlässlich einer Demo in Berlin gegen Schülerdatenbanken geäussert wurde:
“Offenbar besteht das neuste pädagogische Konzept gegen Schulschwänzer des Senats darin, mit Polizeieinheiten Schüler zur Schule zu zwingen”
Ja, das wurde schonmal richtig verstanden. Jetzt muss man nur noch verstehen, dass das kein Zufall ist.
Google-Forscher warnen vor Datenschutzgefahren sozialer Netzwerke
Nach europäischen Datenschützern warnen nun auch Google-Forscher, dass soziale Netzwerke wie Facebook oder MySpace die Privatsphäre ihrer Nutzer aushöhlen können. […] Demnach könnte der Datenschutz durch die Erstellung sozialer Diagramme über verschiedene Plattformen hinweg genauso unterwandert werden wie durch die automatisierten Aktivitätsnachrichten diverser Online-Gemeinschaften oder durch “unerwünschte Verlinkungen”
Man könnte nun spötteln, dass eine solche Warnung von Google widersinnig wäre – ist sie aber nicht: Erstens erwarte ich gerade von einem Unternehmen wie Google (und dessen Mitarbeitern), dass es solche Gefahren sieht und versteht. Gerade wegen der eigenen Rolle. Und zweitens ist es normal, dass man die eigene Rolle als Gefährder nie sieht – auch der Staat erklärt uns ja (trotz unzähliger gegenteiliger Beispiele) immer wieder, wie sicher unsere Daten bei ihm sind, und dass es keinen Missbrauch gibt. Verschwörungstheorien sind hier falsch am Platz: Es ist menschlich, nicht übr sich selbst reflektieren zu können.
Oberverwaltungsgericht Niedersachsen: Hooligan-Datei rechtswidrig
Das VG Hannover hatte die “Hooligan Datei” schon gekippt (ich habe hier berichtet). Diese Entscheidung wurde nun vom OVG Niedersachsen bestätigt und wird wohl demonächst zum Bundesverwaltungsgericht gehen. Solange keine Rechtsverordnung zu der Datenbank existiert (die vom Bundesrat abgesegnet ist), stehen die Chancen vor dem BVG sehr gut – es ist aber damit zu rechnen, dass nun darauf hingearbeitet wird, die entsprechende Rechtsgrundlage zu schaffen.
Datenschutzverstöße in den USA um fast 50% gestiegen
Die Washingten Post berichtet von einem entsprechenden Anstieg in den USA.
Laxer Umgang mit Gesundheitsdaten?
Die Welt berichtet:
Der Stuttgarter Autohersteller Daimler ist nach Angaben von Datenschützern zu lax mit sensiblen persönlichen Daten von Mitarbeitern umgegangen. Um etwa Fehlzeiten wegen Krankheit zu verringern, seien im Werk in Stuttgart-Untertürkheim ärztliche Diagnosen und Krankheitsursachen von Beschäftigten abgefragt worden, die nicht hätten erhoben werden dürfen. Das teilte die Stuttgarter Aufsichtsbehörde für den Datenschutz im nicht öffentlichen Bereich nun mit.
Blick in die Zukunft?
Wie so oft lohnt sich ein Blick ins Ausland, evt. zeigen sich hier Trends für die Zukunft:
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In Indien können TK-Daten nun im Rahmen jeglicher Verbrechen abgerufen werden – gleich ob Bagatelle oder schwere Straftat. Dazu gehört im übrigen auch die blockade von Webseiten zum Schutz der nationalen Sicherheit.
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Die Briten wollen die heimliche onlinedurchsuchung EU-weit forcieren.
Google Handy gar nicht witzig
Das soll nicht als spezelle Google-Kritik verstanden werden – das Problem, dass Datenhandys ohne Kenntnis des Nutzers im Hintergrund arbeiten und Kosten verursachen ist ein generelles.
BSI mit mehr Befugnissen
Wieder ein Mosaiksteinchen mehr: Das BSI soll weitergehende Befugnisse, vom Betreten von Räumlichkeiten bis hin zur Datenweitergabe an Sicherheitsbehörden, erhalten.
Kameramissbrauch mal anders
Gulli berichtet von einem Kamera-Missbrauch der besonderen Art, der hoffentlich bei den Technikgläubigen wieder ein bisschen am Bewusstsein rüttelt.
Link: Rezension von “Das Google-Imperium”
Da ich es hier mangels Exemplar nicht rezensiere, hier einfach ein Link zu einer externen Rezension.
Feindstrafrecht reloaded: Die nächste Runde
Man muss schon hellhörig werden, wenn man sowas liest:
Evan Kohlmann, Ermittler und Berater für Fragen des Terrorismus, sagte auf einer Konferenz zur Online-Sicherheit in New York, dass sich Terroristen vermehrt über Online-Angebote organisieren. Viele dieser Personen würden sich mittlerweile gar nicht persönlich kennen, jedoch über das Internet konspirativ zusammenarbeiten, um Anschläge vorzubereiten.
Wo dann der nächste Ansatzpunkt für unsere Sicherungspolitik namens Feindstrafrecht liegt, ist nicht schwer zu erraten. Nachdem nun auch Privatpersonen soziale Netzwerke zur Fahndung nutzen, wird das Risiko in dem Bereich deutlich.
Anmerkung zum “Feindstrafrecht”: Ich stelle in der juristischen Literatur zunehmend fest, dass man an verschiedenen Stellen eine zunehmende “sicherungspolitik” im Recht findet, das dann als Feindstrafrecht bezeichnet wird.
Ein stark verkürzter Gedanke dabei, als profanes Beispiel: Wer heute seinen TÜV-Prüf-Termin mit dem KFZ überzieht, bekommt dennoch nur eine Plakette ab dem abgelaufenen Termin. Beispiel: Ablauf war im Januar 09, Termin dann im März 09. Die neue Plakette wird aber nur bis zum Januar 11 erteilt, nicht bis zum März 11; Da mit der bestandenen TÜV-prüfung die theoretische Zwei-Jahres-Sicherheit bescheinigt wird, ist dies widersinnig – der Staat handelt hier rein aus sicherheitspolitischem Denken, das konträr zur eigentlichen Maßnahme steht. Bei diesem alltäglichen Beispiel merkt man, wie Funktionalismus und eine quasi-Sanktion schon Alltag geworden sind.