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Zulässigkeit der Lehrerbenotung im Internetforum “Spickmich.de”

03.07.2008

Aktuell aus Köln: Nach dem heute im Hauptsacheverfahren verkündeten Urteil des Oberlandesgerichts Köln bleibt die Benotung von Lehrern im Internet weiterhin erlaubt. Der 15. Zivilsenat wies die Berufung einer Gymnasiallehrerin zurück, die den Kölner Betreibern des Internetforums “Spickmich.de” im Klagewege verbieten lassen wollte, sie betreffende Daten wie Name, Unterrichtsfächer, Zitate und Benotungen auf der genannten Internetseite zu veröffentlichen (Aktenzeichen OLG Köln 15 U 43/08). Damit ist die Lehrerin erneut vor dem Oberlandesgericht unterlegen, nachdem derselbe Senat bereits am 27.11.2007 ihre Berufung im vorgeschalteten einstweiligen Verfügungsverfahren verworfen hatte. Das heute verkündete Urteil bestätigt die Vorinstanz in vollem Umfang und liegt auch in seiner Begründung auf der bereits im November vorgezeichneten Linie.

Auf dem sog. Community-Portal “Spickmich.de” können Schüler ihre Lehrer zu verschiedenen Kategorien benoten, etwa zu “fachlich kompetent,” “gut vorbereitet,” “faire Noten” etc., aber auch zu “cool und witzig,” “menschlich” oder “beliebt.” Die klagende Lehrerin hatte damals im Gesamtergebnis die Note 4,3 erhalten, worauf sie im Mai 2007 eine einstweilige Verfügung gegen die Veröffentlichung ihres Namens und der von ihr unterrichteten Fächer beantragte und nach deren Ablehnung ihre Ansprüche im “normalen” Klageverfahren weiterverfolgte, wobei sie einen Verstoß gegen das Bundesdatenschutzgesetz sowie die Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts geltend machte.

In der Begründung des heutigen Urteils führt der Senat aus, es liege kein rechtswidriger Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht der Klägerin vor. Sämtliche Bewertungskriterien des Schülerportals “spickmich.de” stellten Werturteile dar, so dass das Forum dem Schutzbereich des Grundrechts auf Meinungsfreiheit gemäß Artikel 5 Abs. 1 des Grundgesetzes unterfalle. Im Rahmen der danach gebotenen Abwägung zwischen der Meinungsfreiheit und den Persönlichkeitsrechten der Lehrerin ergebe sich im Ergebnis kein unzulässiger Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht der Gymnasiallehrerin. Soweit es um berufsbezogene Kriterien wie “guter Unterricht”, “fachlich kompetent”, “motiviert”, “faire Noten”, “faire Prüfungen” und “gut vorbereitet” gehe, sei die Lehrerin nicht in ihrem Erscheinungsbild oder ihrer allgemeinen Persönlichkeit betroffen, sondern allein in der konkreten Ausübung ihrer beruflichen Tätigkeit. Eine beleidigende Schmähkritik sei damit nicht verbunden, auch unter Berücksichtigung der Namensnennung werde die Lehrperson durch die Schülerbewertung nicht an den Pranger gestellt. Bei seiner Abwägung hat der Senat erneut berücksichtigt, dass auf “spickmich.de” gerade kein “uneingeschränkt öffentliches” Bewerten der Lehrerinnen und Lehrer stattfinde und kein allgemeiner Zugang zu diesen Bewertungen gegeben sei. Die Namen und Bewertungen der Lehrer könnten nicht über Internet-Suchmaschinen ermittelt werden, sondern würden lediglich unter den einzelnen Schulen aufgeführt, die im Wesentlichen von interessierten Schülern oder Eltern eingegeben und aufgerufen werden dürften. Die Gefahr von Manipulationen der Bewertung erachtet der Senat angesichts der Zugangskriterien und weiterer Sicherungen als gering. Auch die mehr personenbezogenen Bewertungen zu den Kriterien “cool und witzig”, “menschlich”, “beliebt” und “vorbildliches Auftreten” seien letztlich weder als Angriff auf die Menschenwürde noch als Schmähung einzustufen. Im Vordergrund stehe nicht eine Diffamierung oder Herabsetzung der Person als Ziel der Äußerung, sondern die Bewertung von Eigenschaften, die sich jedenfalls auch im schulischen Wirkungskreis spiegeln. Dabei sei bei der Diktion und Formulierung der Kriterien auch auf den Sprachgebrauch von Schülern und Jugendlichen abzustellen, so dass auch die Bewertung zum Merkmal “cool”, dem der Begriff “peinlich” gegenübergestellt wird, die Grenze zur Schmähung oder Diffamierung nicht überschreite. Das Grundrecht der Meinungsfreiheit schütze die Meinungskundgabe unabhängig davon, ob die Äußerung rational oder emotional, begründet oder grundlos ist und ob sie von anderen für nützlich oder schädlich, wertvoll oder wertlos gehalten wird. Auch die Anonymität der Bewertung mache diese nicht unzulässig, wie der Senat weiter meint; sie sei dem Medium des Internets immanent. Meinungen, die lediglich unter einer E-Mail-Adresse oder auch anonym im Internet abgegeben werden, genössen ebenfalls den Schutz des Art. 5 des Grundgesetzes. Auch im schulischen Bereich liege aufgrund des Über- Unterordnungsverhältnisses zwischen Lehrer und Schüler nahe, dass letztere bei Veröffentlichung ihres Klarnamens aus Furcht vor negativen Konsequenzen auf eine Kundgabe ihrer Meinung verzichten würden, was der Freiheit des durchaus wünschenswerten breiteren Kommunikationsprozesses über die Qualität der Bildungsarbeit zuwiderlaufe.

Auch die – korrekte – Einstellung von Zitaten der Lehrerin im Bewertungsmodul sei ähnlich wie deren Wiedergabe in Schülerzeitungen erlaubt. Zitate der bewerteten Lehrer würden in dienstlicher Funktion und im Rahmen ihrer Berufsausübung Dritten gegenüber getätigt. Es handele sich daher um Äußerungen, die nicht etwa dem Privatbereich unterfallen, sondern im Rahmen des beruflichen Wirkungskreises der Sozialsphäre zuzuordnen seien.

Schließlich könne die Klägerin Unterlassungsansprüche auch nicht aus dem Recht auf informationelle Selbstbestimmung oder dem Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) herleiten. Es handele sich bei der Angabe von Name, Schule und Unterrichtsfächern nicht um besonders sensible Daten; diese seien zudem aus einer allgemein zugänglichen Quelle, nämlich der Homepage der Schule entnommen worden.

Der Senat hat die Revision gegen sein Urteil zugelassen, weil die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung habe und er eine Entscheidung des Bundesgerichtshofes zur Vereinheitlichung der Rechtsprechung für erforderlich hält.

Anmerkung: Ich bleibe bei meiner Einschätzung, dass in den bisherigen Urteilen verkannt wird, dass die Noten als solche ebenfalls dem BDSG unterliegen und hieraus ein Unterlassungsanspruch besteht. Es ist mir ein Rätsel, wie das bisher nichtmal behandelt werden konnte.

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5 Kommentare zu diesem Beitrag:

Malte S.

Inwiefern sollen die Noten Daten iSd BDSG sein? Oder eher die zu Grunde liegende und nun bewertete Leistung?

Die am Ende vergebene Gesamtnote (nicht die einzelne Note die eingegeben wird!) ist ein individueller Scoring Wert, nicht anders als der der Schufa. Dieser Wert ist ein personenbezogenes Datum.

Wenn Du dir z.B. die Beiträge von Datenschützern, ezwa von Dix zum Thema durchliest, liest du schnell raus, warum Datenschützer ständig meinen, dass ein Unterlassungsanspruch besteht - Gerichte das aber anders sehen: Erstere thematisieren ganz selbstverständlich die Note, letztere gar nicht.

Dass es eine Datenbank gibt, in der Lehrer mit Vor- und Nachnahmen und der Schulanschrift (nicht Privatanschrift) stehen ist definitiv das eine. Auch dass man dort Meinungen als Schüler äussern kann ist streitbar, aber nicht gleich der GAU. Dass aber eine Auskunftei mit sozialen Scoringwerten existiert, die frei zugänglich ist und ohne Einwilligung der Betroffenen geführt wird muss thematisiert werden. Dadurch dass die Gesamtnote kein Thema ist, fehlt der Aspekt ganz.

Da dort auch Referendare benotet werden, sehe ich ganz klar die Möglichkeit, dass Schulen z.B. Spickmich.de Noten bei EInstellungen heranziehen - man sei erinnert, jedenfalls in NRW stimmen inzwischen Schulkonferenzen über neue Schulleiter ab. Abwegig ist das also schon lange nicht mehr. Die (scheinbar objektiven) Daten sind also durchaus von Interesse und eben nicht nur "Spielerei".

Ich selbst denke dabei vor allem an andere Datenbanken, so wie es sie etwa für Mieter bereits gibt. Das offene (soziale) Scoring wird bald ein gesamtgesellschaftliches Erscheinungsbild sein und ich denke, es ist klug, das dann auch zu thematisieren. Die Logik muss übrigens nicht zwingend ein Verbot sein wenn man es ablehnt.

Als Nachtrag: Ich nutze für die Gesamtnote den Begriff "objektiviertes Werturteil". Ich bin davon überzeugt, das schonmal gelesen zu haben, kann aber keine Fundstelle im Nachhinein vorweisen, insofern muss man momentan davon ausgehen, dass es eine eigene Wortschöpfung ist :(

Der Gedanke dahinter: Die einzelne Benotung eines Schülers ist ganz klar ein Werturteil. Die Gesamtheit der Werturteile bildet aber erst die Gesamtnote, die ein (scheinbar) objektives Bild ist - es entsteht ein objektiviertes Werturteil. Insofern unterscheide ich zwischen der Gesamtnote und der einzelnen Notenabgabe.

Das Ergebnis -wenn man dem folgt- ist, nach aktuellem BDSG, dass z.B. die einzelne Benotung erlaubt ist, die Übermittlung der Gesamtnote aber nicht, so dass die Gesamtnote (erstmal) nicht dargestellt werden dürfte.

Malte S.

Verständliche Argumentation. Vor allem gefällt mir der Begriff des "objektivierten Werturteils", der zumindest mir bisher nicht geläufig war, es aber eigentlich ziemlich gut trifft.
Der Bezug zur Schufa bzw. zum Scoring ist auch gut. Einen Unterschied sehe ich aber darin, dass die Schufa aus Tatsachen ein Werturteil bildet, während spickmich & co. aus Werturteilen eine scheinbare Tatsache erschaffen.
Zudem zieht die Schufa eben mehrere, an sich ohne Zusammenhang bestehende Daten zusammen und bildet daraus den Scoringwert. Soweit aber nur der Durchschnitt bei einem einzigen Kriterium gebildet wird, existiert gerade das nicht mehr. Auch besteht bei dem Scoring der Auskunfteien für den Betroffenen vielfach keine Transparenz hinsichtlich der einfließenden Kriterien und ihrer Gewichtung. Bei den Bewertungsportalen sind - soweit ich das sehe - dagegen solche Probleme nicht vorhanden (weil die Durchschnitte nur einzelnen angezeigt werden).

Was wäre denn für Dich eine gute Lösung? Anmeldung bzw. Abruf der Benotungen erst nach Prüfung eines ernsthaften Interesses? Oder eine Beschränkung auf reine Kommentarmöglichkeiten? Selbst dabei würde mit wahrscheinlich recht einfach zu entwickelnden Programmen ein Scoringwert ermittelt werden können.

Man muss auch bedenken, dass Lehrer (und Profs) in einem öffentlich-rechtlichen Bereich arbeiten. Meiner persönlichen, juristisch bisher nicht begründeten Ansicht nach sind staatliche Leistungen und damit die Leistungserbringer zu mehr Transparenz und Offenheit verpflichtet. Da QM-Systeme an Schulen bisher nur vereinzelt und dann meistens mit einer ziemlich Blockadementalität existieren, ist ein anderer Weg erforderlich, um eine objektive Einschätzung der Leistung zu erreichen.

"Was wäre denn für Dich eine gute Lösung?"

Inzwischen muss ich ehrlich sein: Die Diskussion ist für mich müssig, da ich immer wieder feststellen muss, dass bei vielen gar kein echtes Bewertungsinteresse im Vordergrund steht, sondern vielmehr die kindliche Häme "Lehrer auch mal zu benoten". Insofern habe ich kaum mehr Lust, ernsthafte Ausblicke zu erarbeiten.

Ein Beispiel aber nehme ich doch, mit der Betonung, dass es eines von mehreren ist:

Nehmen wir an, das System bleibt wie bisher. Die Gesamtnoten aber sind erstmal nicht zu sehen, sondern werden nur innerhalb des Spickmich.de Systems gespeichert. Jeder erfasste Lehrer erhält einen Login zu seinem Profil (mit vernünftiger Identifizierung) und kann selber entscheiden, ob er die Noten der Öffentlichkeit preis gibt oder nicht.

Interessant ist, dass dieser Vorschlag generell auf Ablehnung stößt - dabei sichert er doch gerade das, was als Haupt-Argument gebracht wird: Der Lehrer erhält ein Feedback zu seiner Arbeit. Ob er das nun öffentlich macht oder nicht ist hier zweitrangig, da das Feedback direkt ankommt. Wer so diskutiert merkt aber schnell, worum es wirklich geht und das stört mich.

Ich denke, ganz ehrlich: Wenn man wirklich eine Art Qualitätssicherung will, lassen sich viele intelligente und vertretbare Wege finden. Ich sehe aber z.B. auch Unterschiede zwischen Lehrern oder Profs an Unis: Erstere sucht man sich nicht ernsthaft aus (das Spickmich.de System bietet ja auch gar nicht die Möglichkeit dies zu tun für Eltern), letztere aber sind Teil der Auswahl des Studienortes.

Innerhalb von Schulen sind Eltern und Schüler vielmehr gefragt, sich aktiv einzubringen und auch mehr Rechte zu fordern. Beispiel: Beim letzten Treffen wegen der Kameras an einer Schule war (trotz Einladung) kein einziger Schüler und kein Elternteil anwesend. Sowas spricht Bände.

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