Tagungs-Bericht vom Europäischen Datenschutz-Tag in Berlin

Beitrag von Herrn Rechtsanwalt Dr. Sebastian Kraska (externer Datenschutzbeauftragter).

04.02.2013 - Am 28. Januar 2013 fand anlässlich des 7. Europäischen Datenschutztages auf Einladung der Konferenz der Datenschutzbeauftragten des Bundes und der Länder die Veranstaltung „Eine Datenschutz-Grundverordnung für Europa – internationale Perspektiven“ in Berlin statt.

Branchentreffen der Datenschützer

Die Landesbeauftragte für den Datenschutz und für das Recht auf Akteneinsicht Brandenburg (LDA Brandenburg), Frau Dagmar Hartge, eröffnete als Vorsitzende der Konferenz der Datenschutzbeauftragten des Bundes und der Länder 2012 die mit 250 Teilnehmern ausgebuchte Tagung.

Impulsreferate zum europäischen Datenschutz

Unter dem Motto „Die Zukunft des europäischen Datenschutzes – drei Perspektiven“ hielten Herr Professor Dr. Martin Selmayr (Europäische Kommission, Kabinettchef der Vizepräsidentin für Justiz, Grundrechte und Bürgerschaft, Viviane Reding), Frau Tanja Böhm (Manager Government Affairs Microsoft Deutschland GmbH) und Herr Jan Philipp Albrecht, MdEP (Berichterstatter des Europäischen Parlaments für die Datenschutz-Grundverordnung, Die Grünen/Europäische Freie Allianz) jeweils 15 minütige Impulsreferate.

EU-Datenschutzreform noch in 2013?

Herr Professor Dr. Selmayr äußerte Hoffnung und Zuversicht, dass mit einer Verabschiedung der EU-Datenschutzreform noch in 2013 zu rechnen sei. Seiner Ansicht nach sei der Übergang von einer Richtlinie zur Verordnung einer der wichtigsten Aspekte der Datenschutzreform. Er bezeichnete ferner das Konzept des Datenschutzbeauftragten als Erfolgsmodell und deutschen Exportschlager.

EU-Gesetzgebung mit Augenmaß

Die Vertreterin von Microsoft, Frau Tanja Böhm, forderte eine europäische Gesetzgebung mit Augenmaß. Ihrer Ansicht nach sei künftig ein Feststellungsverfahren zur Klärung der aufsichtsrechtlichen Zuständigkeit im Datenschutz wünschenswert. Ferner gab sie zu bedenken, dass die Befolgung von datenschutzrechtlichen Vorgaben auch preisbildenden Charakter habe: je höher der Datenschutz, desto teurer seien im Grundsatz auch die Produkte.  

Einbindung von EU-Bürgern und EU-Unternehmen

Der Europaabgeordnete Jan Albrecht warb für eine stärkere Einbindung von EU-Bürgern und EU-Unternehmen bei der aktuellen Datenschutz-Debatte. Die Politik müsse insbesondere die Herausforderung zur Klärung des anwendbaren Datenschutzrechts annehmen.

Wer profitiert von einem einheitlichen europäischen Datenschutz?

Im Anschluss an die Impulsreferate folgte eine Podiumsdiskussion zum Thema „Wirtschaft oder Verbraucher – wer profitiert von einem einheitlichen europäischen Datenschutz?“ unter Beteiligung von Frau Erika Mann (Facebook Inc., Managing Director Public Policy, Head of Office, Brüssel), Herrn John Rodgers (Botschaftsrat für Wirtschaft, Botschaft der Vereinigten Staaten von Amerika in der Bundesrepublik Deutschland), Frau Dr. Angelika Niebler, MdEP (Mitglied des Ausschusses für Industrie, Forschung und Energie (ITRE) sowie stellvertretendes Mitglied des Rechtsausschusses (JURI) des Europäischen Parlaments, CSU/Fraktion der Europäischen Volkspartei) sowie Herrn Ulrich Lepper (Landesbeauftragter für Datenschutz und Informationsfreiheit,  Nordrhein-Westfalen, Vorsitzender des Düsseldorfer Kreises der Datenschutzkonferenz).

Hemmnis für technische Neuerungen?

Frau Erika Mann von Facebook betonte, dass eine Vereinheitlich der datenschutzrechtlichen Vorgaben zwar grundsätzlich begrüßt würde, es sei aber darauf zu achten, dass die EU-Datenschutzreform die Nutzer nicht einschränken dürfe. Ferner stünde die technische Entwicklung vielfach noch am Anfang; eine Über-Regulierung könnte hier zu einem ungewollten Hemmnis für technische Neuerungen führen.

Besorgnis vor möglichem Handelskrieg zwischen EU und USA

Herr John Rodgers stellte als Vertreter der USA klar, dass es seiner Ansicht nach auch auf lange Sicht zwei verschiedene Datenschutz-Systeme geben in den USA und in Europa geben werde. Er wies auf das unterschiedliche Begriffsverständnis auf beiden Seiten des Atlantiks hin, bei dem man mit „Data Protection“, „Privacy“ und „Datenschutz“ vielleicht ähnliches beschreibe, aber unterschiedliches meine. Die Privatsphäre sei in den USA grundrechtliche geschützt, Datenschutz dagegen nicht. Herr Rodgers betonte, dass die USA keinesfalls den Regelungsansatz der EU übernehmen würde. Es sei ferner zu erwarten, dass unter Präsident Obama ein föderales Datenschutz-Gesetz in den USA erlassen werden würde. Man müsse – so Herr Rodgers im Laufe der Diskussion – darauf achten, dass sich an der Regulierung der wirtschaftlich wichtigen Datenströme kein Handelskrieg zwischen den USA und Europa entfache. Verschiedene Diskussionsteilnehmer betonten in der Folge, dass man bemüht sei, zwischen dem europäischen und dem amerikanischem Datenschutz-Rechtsraum Brücken zu bauen.

Kritik am „Recht auf Vergessenwerden“

Deutliche Kritik übte Herr Rodgers zudem am „Right to be forgotten“ („Recht auf Vergessenwerden“). Dies kollidiere mit dem Recht auf freie Meinungsäußerung und sei technisch nicht umsetzbar. Herr Professor Selmayr kommentierte hierzu, dass das „Recht auf Vergessenwerden“ keinen absoluten Anspruch sondern lediglich ein relatives Recht darstellen solle.

Unabhängigkeit und Letzt-Entscheidung

Reger Diskussionsaustausch ergab sich zudem zur Frage, wem künftig im europäischen Kontext das Letz-Entscheidungsrecht im aufsichtsrechtlichen Bereich zukommen solle. Vertreter der Datenschutz-Aufsichtsbehörden betonten, dass es unerlässlich sei, dieses Recht bei den Aufsichtsbehörden selbst zu belassen. Herr Professor Selmayr führte verfassungsrechtliche Bedenken im Hinblick auf die europäischen Verträge an und warb für seinen Vorschlag, dass in Zweifelsfragen das Letzt-Entscheidungsrecht bei der Kommission liegen müsse. Für die deutschen Aufsichtsbehörden betonte Herr Lepper, dass diese Entscheidung aus seiner Sicht zwingend bei den Aufsichtsbehörden liegen müsse. Sollte hiervon abgewichen werden kündigte er den Gang vor den EuGH an. Herr Dr. Alexander Dix von der Datenschutz-Aufsichtsbehörde Berlin wies darauf hin, dass die Unabhängigkeit der Kommission rechtlich von der Unabhängigkeit der Datenschutz-Aufsichtsbehörden unterschiedlich sei. Die Artikel-29-Gruppe in abgewandelter Form sei letztlich der am besten geeignete Ort für Letzt-Entscheidungen. Herr Peter Schaar (Bundesbeauftragter für den Datenschutz und die Informationsfreiheit) brachte als Kompromisslösung seinen Vorschlag ins Gespräch, das Recht auf Letzt-Entscheidung bei den Aufsichtsbehörden zu belassen, der Kommission aber das Recht einzuräumen, diese Entscheidungen dann für verbindlich zu erklären.

Schlusswort durch Vorsitzende der Datenschutzkonferenz 2013

Zum Abschluss der überaus gelungenen Veranstaltung zog Frau Dr. Imke Sommer, Landesbeauftragte für Datenschutz und Informationsfreiheit der Freien Hansestadt Bremen und Vorsitzende der Datenschutzkonferenz 2013 ein kurzes Fazit der Diskussionsbeiträge.

Sebastian Kraska Var2

Über den Autor - Rechtsanwalt Dr. Sebastian Kraska

Herr Dr. Sebastian Kraska gründete die IITR Datenschutz GmbH, die auf den Bereich des betrieblichen Datenschutzes spezialisiert ist und als Anbieter von Datenschutz-Management-Systemen Unternehmen bei der Bewältigung datenschutzrechtlicher Anforderungen unterstützt.

Herr Dr. Kraska selbst ist als Rechtsanwalt ausschließlich im Datenschutzrecht sowie gemeinsam mit Regionalpartnern als externer Datenschutzbeauftragter tätig und betreut dabei Unternehmen und Behörden. Er ist zudem Beirat der Zeitschrift ZD des Beck-Verlages..

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